Eine Amtsrichterin soll alte Fälle von sexueller Belästigung in der Landesverwaltung im Auftrag des Untersuchungsausschusses im Landtag aufarbeiten. Der Ausschuss hat bei seiner Sitzung vergangene Woche nach monatelanger Suche eine Ermittlungsbeauftragte ernannt. Sie ist nach Informationen unserer Zeitung Richterin am Amtsgericht Sinsheim und soll die dem Untersuchungsausschuss gemeldeten Verdachtsfälle von sexueller Belästigung in der Landesverwaltung aus den Jahren 2012 bis 2022 untersuchen und aufarbeiten, die von der Landesregierung gemeldet wurden.
Der Ausschuss konzentriert sich allerdings nicht nur auf die Polizei, sondern will Strukturen in der gesamten Landesverwaltung unter die Lupe nehmen. Das Innenministerium hatte als Reaktion auf den Fall neue Strukturen eingeführt, um Betroffene von sexueller Belästigung besser zu schützen. So wurde unter anderem eine Vertrauensanwältin als zusätzliche Ansprechstelle eingesetzt.
Berge von Akten
Die Suche nach einer Ermittlungsbeauftragten hatte sich zuletzt schwierig gestaltet, wohl auch wegen der Größe der Aufgabe. „Als neutrale und kompetente Instanz soll sie die Aktenberge durchleuchten und Licht ins Dunkel bringen bei den Fällen sexualisierter Gewalt und Belästigung in Polizei und Verwaltung“, sagte Grünen-Obmann Oliver Hildenbrand.
Wie viele Fälle zu begutachten sind, blieb zunächst offen. Im Regierungsbericht an den Untersuchungsausschuss vom vergangenen Jahr waren lediglich Verdachtsfälle und Meldungen der vergangenen fünf Jahre bis 2022 aufgelistet. 138 waren es bei der Polizei, im Innenministerium, im Staatsministerium, im Finanzministerium, im Kultusministerium und im Justizministerium. Die höchste Zahl meldete das Wissenschaftsministerium mit 201 Verdachtsfällen, allerdings wurden dabei auch zum Geschäftsbereich des Ministeriums gehörende Institutionen wie Universitäten, Hochschulen, Uniklinka, Museen oder Theater berücksichtigt. Bei den neuen Ermittlungen sollen nachgeordnete Bereiche des Wissenschaftsministeriums ausgeklammert werden.
Einzelfälle oder Spitze des Eisbergs?
Ziel ist es, einen Überblick über den Umfang und die Art der Verdachtsfälle zu gewinnen, sowie darüber, wie in Ministerien und Behörden damit umgegangen wurde. „Wir wollen uns auch ein klares Bild darüber verschaffen, ob die skandalösen Vorgänge, die sich in der Spitze der Landespolizei rund um den Inspekteur zugetragen haben, tatsächlich Einzelfälle sind“, sagte die FDP-Obfrau Julia Goll. Die gefundene Ermittlungsbeauftragte besitze als Richterin die nötige Kompetenz.
Boris Weirauch, SPD-Abgeordneter und stellvertretender Ausschutzvorsitzender kündigte an: „Die Tätigkeit der Ermittlungsbeauftragten wird dazu beitragen, ein klares Bild über die tatsächliche Zahl und die Art der Verdachtsfälle zu vermitteln, auf Grundlage dessen wir für mehr Schutz vor Belästigung am Arbeitsplatz innerhalb der Behörden sorgen werden.“