Eine verschlossene Tür im Stuttgarter Haus der Katholischen Kirche, hinter der Grüne und Christdemokraten über ein Bündnis verhandelten: So laufen die Sondierungsgespräche ab. Für die CDU steht viel auf dem Spiel.

Stuttgart - Am Ende entledigt sich Winfried Kretschmann seines Jacketts und zieht Thomas Strobl hinter eine Säule, wo der Ministerpräsident vertraulich auf den CDU-Landeschef einredet. Die Kameraleute lassen sich diese Szene natürlich nicht entgehen und halten aus nächster Entfernung drauf. Futter für das Fernsehen. Viel zu filmen hatte es zuvor ja nicht gegeben: eine verschlossene Tür im Stuttgarter Haus der Katholischen Kirche, hinter der Grüne und Christdemokraten über ein Bündnis verhandelten. Ein formelles Sondierungsgespräch nach der ersten Zusammenkunft nach der Landtagswahl, die noch nicht „Sondierungsgespräch“, sondern nur „Gespräch“ heißen durfte. Regierungsbildungen sind nicht frei von diplomatischer Raffinesse.

 

Verantwortung gerecht werden

Nun also die echte Sondierung: zweieinhalb Stunden reden Grüne und Schwarze am Gründonnertag miteinander, ehe sie vor die Kameras treten: Kretschmann, Strobl, CDU-Fraktionschef Guido Wolf und Grünen-Landeschefin Thekla Walker. Alle bewerten das Zusammensein als wahlweise unglaublich konstruktiv oder erfreulich sachlich. Kretschmann äußert seinen „Eindruck, dass beide Seiten ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden wollen“. Strobl, Walker und Wolf scheinen einen ähnlichen, wenn nicht denselben Eindruck gewonnen zu haben. „Jetzt ist die Stunde der Verantwortung gekommen“, sagt Wolf, der gestolperte Spitzenkandidat. Allerdings, so fügt er hinzu, solle man jetzt nicht so tun, „als gäbe es keine Unterschiede zwischen den Parteien“, denn dies „würde auch unseren Programmen, die wir im Wahlkampf und in den Jahren davor vertreten haben, nicht wirklich gerecht.“ Wolf warnt vor der „Glaubwürdigkeitsfalle“, in die man nicht laufen dürfe.

Wolf gibt den Mahner

Er gibt den Mahner. Bei den „Überschriften“ lasse sich schnell Einigkeit erzielen, doch der Teufel liege im Detail. Da mag Wolf recht haben. Hatte nicht CDU-Landeschef Strobl, der mit Macht in die grün-schwarze Koalition strebt, Gemeinsamkeiten mit den Grünen ausgerechnet in der Bildungspolitik entdeckt. Zustimmend nahm er in einem Interview den grün-roten Slogan auf, der Bildungserfolg müsse von der Herkunft abgekoppelt werden. Grünen-Landeschefin Walker wiederum nimmt bei dem Pressestatement nach der Sondierung auf diese Äußerung Strobls Bezug. So findet ein Herz zum anderen. Nur Wolf stört ein wenig, wenn er beharrt, dass es bei der Gemeinschaftsschule und anderen Themen doch noch Unterschiede gebe.

Die Glaubwürdigkeitsfalle lauert noch an anderer Stelle. Kretschmann wie auch Strobl heben darauf ab, dass man im Fall einer Koalition die Schuldenbremse einhalten wolle. Diese Ansage kommt insofern nicht völlig unerwartet, als das Grundgesetz das Land Baden-Württemberg verpflichtet, vom Jahr 2020 an die Schuldenbremse einzuhalten. Da dem Land in der mittelfristigen Finanzplanung zwei Milliarden Euro fehlen, wird einer künftigen Landesregierung also die Bereitschaft zur Haushaltskonsolidierung abverlangt.

Übereinstimmung für Projekte

In ihrem Sondierungsgespräch finden die beiden Partner in spe indes vor allem Übereinstimmung für Projekte, die mehr Geld verlangen. Etwa für das schnelle Internet, mit dem das Land flächendeckend versorgt werden soll. Oder für mehr Polizisten und deren bessere Ausrüstung. Das ist besonders der CDU so wichtig, dass schon jetzt erkennbar ist, bei welcher Partei das Innenministerium landen wird. Vom Landesbetreuungsgeld, das die CDU will, ist dabei noch gar nicht die Rede.

Am Ende vereinbaren Grüne und Christdemokraten, sich am Dienstag wiederzusehen. Am Mittwoch wollen sich dann CDU-Präsidium, Landesvorstand und die Kreisvorsitzenden beraten. Auch die Fraktion soll eingeschaltet werden. Dann wird man wissen, ob es zu Koalitionsverhandlungen kommt. Kretschmann und Strobl scheinen davon auszugehen. Sie wispern einvernehmlich hinter der Säule. Nur der Vizeregierungssprecher eilt herbei und überzeugt sich, dass die Kameramikrofone ausgeschaltet sind. Die Bilder sind schön, aber Töne abseits der offiziellen Statements – nein, das wäre dann doch zu viel.