Frischer „Semf“ für den Wasen: Das Stuttgart Electronic Music Festival hat das 200-jährige Volksfest mit neuer Musik aufgemischt. Das Techno-Zelt mit 2600 Besuchern tobte.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - „Voll geil“, schwärmte Jens Herzberg, einer der DJ-Legenden dieser Stadt, der schon zu Zeiten aufgelegt hat, als man Schallplatten-Kisten schleppen musste. Der erste Electronic-Wasen am Dienstagabend im Volksfest-Zelt von Sonja Merz ist für ihn der Beweis, dass „die Münchner einpacken können“. Nur in Stuttgart sei so was möglich, genauer gesagt: in Cannstatt auf dem Wasen, nicht aber auf der Wiesn.

 

Techno-Party dort, wo man sonst auf den Bänken zu Ballermann-Hits hüpft und grölt: Die Wirtin ist von vielen Gästen für ihren Mut gelobt worden, in Zusammenarbeit mit den Machern des Stuttgart Electronic Music Festival (Semf) etwas Neues auf dem großen, 200 Jahre alten Bierfest zu wagen. „Etwas absurd“, meinte einer der jungen Tänzer, sei die Sache schon. Dirndl und Lederhosen habe er noch nie auf einer House-Party gesehen. Aber gerade die „schräge Kombination“ gefalle ihm. Die Musik sei freilich „zu leise“ und das Licht „zu hell“.

Wirtin trug erstmals kein Dirndl

Deutlich weniger Menschen mit Tracht hat man im Zelt gesehen, aber es ist auch deutlich weniger Bier getrunken als sonst. Dafür stiegen die Bestellungen von Wodka Red Bull. Der geringere Umsatz von Bier könnte darin liegen, dass nicht alle fünf Minuten der Kappelmeister oder der Bandleader seine Aufforderung „Hoch die Krüge“ mit dem Ruf „Prost ihr Säcke“ steigert. Beim Eletronic-Wasen mit Local Heros wie Karotte ist die Musik überhaupt nicht unterbrochen worden zum gemeinsamen Anstoßen. Wirtin Sonja Merz hatte zwar keinen Eintritt verlangt, aber einen Mindestverzehr von 20 Euro. 2600 zahlende Besucher waren da. Auch wenn der Bierumsatz unter dem sonst üblichen Niveau blieb, will die Chefin im nächsten Jahr ihr Experiment wiederholen. Die Botschaft ist klar: Im „Zelt mit Herz“ von Sonja Merz wird die Zukunft mit Spaß empfangen. „Die Techno-Party hat Potenzial“, meinte die jugendlich wirkende Gastronomin, die am Dienstagabend erstmals in dieser Volksfestsaison kein Dirndl getragen hat, sondern Jeans und T-Shirt, zur späten Stunde.

„Bei uns ist’s cooler als auf dem Oktoberfest“

Vor der Bühne hatte man die Bänke und Tische weggeräumt, damit genügend Platz zum Tanzen war. Für große Begeisterung sorgte Dundu, die riesige Lichtfigur des Künstlers Tobias Husemann. Die Besucher schwärmten in den höchsten Tönen von diesem etwas anderen Wasenabend. „So friedlich geht es sonst in den Zelten nicht immer zu“, meinte einer. Die Polizei kontrollierte zwar nicht direkt vor dem Zelteingang, aber an anderen Stellen auf dem Festgelände. Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz sind festgestellt worden, jedoch im geringen Umfang. DJ Jens Herzberg, der schon bei zwölf Love-Paraden dabei war und dort aufgelegt hat, lobte die Wirtin: „Sehr cool, dass sie etwas Neues wagt.“ Nächstes Jahr, sagte er, werde er gern auf der Bühne auflegen. „So cool ist das Oktoberfest nicht“, meinte er und freute sich diebisch.