An zahlreichen Orten haben die Menschen in der Region Stuttgart die Sonnenfinsternis verfolgt, unter anderem auf dem Schlossplatz und an der Schwäbischen Sternwarte.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Stuttgart - Fast erinnert die Stimmung an der Schwäbischen Sternwarte am Freitagvormittag an ein Musikfestival oder die Live-Übertragung eines Fußballspiels: Menschen liegen auf Picknickdecken, viele haben Bier oder etwas zu essen dabei, Wildfremde kommen miteinander ins Gespräch. Allerdings treffen sich hier die Menschen nicht zur Party oder zum Fußballgucken, sondern zu einem Public Viewing der etwas anderen Art: Auf dem Programm steht eine partielle Sonnenfinsternis. Statt schwarz-rot-gelber Schminke werden heute Schutzbrillen geteilt.

 

„Ich habe keine Schutzbrille mehr bekommen“, sagt Thomas Gärtner (57), der sich einen halben Tag Urlaub für das Naturspektakel genommen hat. „Aber glücklicherweise sind die Menschen hier alle sehr großzügig. Jeder, der eine Schutzbrille ergattert hat, teilt sie mit den anderen.“ Hannah Senker (26) muss beim Höhepunkt der Finsternis ihre Jacke schließen: „Es ist jetzt viel kälter und die Sicht ist schummrig“, sagt sie, „aber es ist perfekt, dass heute so schönes Wetter ist. Man hat durch die Teleskope eine optimale Sicht.“ Diese waren wohl auch der Grund, dass so viele Menschen sich zur Sternwarte aufgemacht haben. „Wir haben damit geworben, dass man hier ungefährdet die Sonnenfinsternis anschauen kann“, sagt Siegfried Weidner, Mitarbeiter der Schwäbischen Sternwarte. „Schätzungsweise sind rund 700 Menschen hier.“ Der größte Andrang herrscht am historischen Sonnenteleskop in der Kuppel. „Dieses Teleskop ist bereits über 100 Jahre alt“, erzählt Weidner. Die Warteschlange bleibt den ganzen Vormittag über lang. Immer wieder bittet der Vorstandsvorsitzende der Sternwarte, Andreas Eberle, Besucher nach draußen. Auch auf der Terrasse und Wiese sind Teleskope und Fernrohre mit Filtern aufgebaut, sodass die Besucher gefahrlos das Naturspektakel betrachten können. „Viele unserer Vereinsmitglieder haben eigene Teleskope mitgebracht“, sagt Weidner.

Augenkliniken registrieren einige Notaufnahmen

Einige Besucher haben sich selbst Lochkameras gebaut, um sich vor dem Sonnenlicht zu schützen oder auch Schweißgläser verwendet. Schon im Vorfeld war berichtet worden, dass es so gut wie keine Schutzbrillen mehr gebe. Dies bestätigte sich am Freitag: „Im Planetarium waren die Brillen schon die ganze Woche ausverkauft“, sagt Weidner, der noch sein Exemplar von der Sonnenfinsternis 1999 hat. Auch bei den Optikern habe es so gut wie keine Brillen mehr gegeben: „ Die Nachfrage ist erst in den letzten Tagen stark gestiegen“, so Weidner. „Für die Hersteller war es wahrscheinlich schwierig einzuschätzen, wieviele Schutzbrillen benötigt werden.“

In der Augenklinik am Katharinenhospital musste am Freitag ein Patient behandelt werden, der wohl zu lange in die Sonne geschaut hatte. „Wir haben aber sehr viele Anrufe von Menschen bekommen, die verunsichert waren“, sagte eine Sprecherin. Mehr Notaufnahmen wurden in der Charlottenklinik für Augenheilkunde registriert. Genauere Angaben zu den Schädigungen und zur Anzahl der Patienten wollte eine Sprecherin aber nicht machen.

Das Stromnetz hat nach Angaben der Betreiber den Stresstest Sonnenfinsternis bestanden. Bundesweit habe es keine Engpässe oder Stromausfälle gegeben. Dies gelte als gutes Signal für die Energiewende. Nach der maximalen Abdeckung der Sonne durch den Mond hätten die Netze in kurzer Zeit einen großen Solarstromanstieg verkraften müssen: von unter 7000 Megawatt auf mehr als 20 000 Megawatt.