Umweltpsychologe erklärt „Viele wissen wegen der Klimakrise nicht, ob sie Kinder bekommen sollen“

Studien zufolge haben viele Kinder und Jugendliche wegen des Klimawandels große Angst. Foto: imago/Ralph Peters

Ein Großteil der jungen Menschen macht sich Studien zufolge akute Sorgen wegen des Klimawandels. Ein Umweltpsychologe erklärt, warum das Thema Jüngere stärker umtreibt als Ältere – und wie der Konflikt um die Klimakrise entschärft werden kann.

Stuttgart - Viele junge Menschen sind wegen der Klimakrise traurig oder verzweifelt. Knapp 40 Prozent wissen wegen der Klimakrise nicht, ob sie Kinder bekommen sollen. Das führt in manchen Fällen zu einer Radikalisierung – gerade dann, wenn sich politisch in Sachen Klimaschutz wenig tut, sagt der Umweltpsychologe Gerhard Reese.

 

Herr Reese, laut einer neuen, internationalen Studie sind 84 Prozent der jungen Menschen zwischen 16 und 25 Jahren besorgt über die Klimakrise. Für ältere Menschen spielt das Thema Umfragen zufolge eine kleinere Rolle. Warum gibt es da so große Unterschiede?

Jüngere Generationen werden sehr viel stärker von der Klimakrise betroffen sein – das macht natürlich viel aus. Schließlich ist diese Krise etwas Existenzielles. Es gibt aber auch bei den Älteren viele, die in den 80er Jahren in der Umweltbewegung aktiv waren oder sich eine gute Zukunft für ihre Kinder und Enkel wünschen.

Welche Folgen hat die Klimaangst der Jüngeren?

Laut der angesprochene Studie fühlen sich viele junge Menschen richtig traurig oder verzweifelt. Knapp 40 Prozent wissen wegen der Klimakrise nicht, ob sie Kinder bekommen sollen. Das höre ich auch privat immer wieder. Eine andere Konsequenz kann eine gewisse Radikalisierung sein – gerade dann, wenn sich politisch in Sachen Klimaschutz wenig tut. Das kann auch weiter zu Politikverdruss führen. Und zu mehr Konflikten.

Ältere befürworten oft konservativere Politik – gerade mit Blick auf Klimaschutz. Steckt dahinter die Sorge vor Veränderung, vor Kosten?

Es wäre eigentlich Aufgabe der Politik, deutlich zu machen, welche enormen Veränderungen durch den Klimawandel auf uns zukommen – und was es bedeuten würde, nicht zu handeln. Klimaschutz ist günstiger als kein Klimaschutz, das sagen eigentlich alle Ökonominnen und Ökonomen.

Was läuft noch schief in der Klimadebatte?

Häufig wird stark auf die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger gepocht. Ein Beispiel sind Rechner zum individuellen CO2-Fußabdruck – eine Erfindung des Ölkonzerns BP. Das zeigt, dass Lobbyverbände die Debatte stark in ihrem Sinne beeinflussen. Klimaschutz ist aber eine Aufgabe für alle Ebenen, es muss sich auch am System was ändern.

Wie kann es gelingen, Älteren die Dringlichkeit des Klimaschutzes bewusst zu machen?

Man könnte zum Beispiel verdeutlichen, dass es um Solidarität mit künftigen Generationen geht statt um Verzicht. Heute haben wir noch die Möglichkeit zu handeln, in zehn oder 15 Jahren werden wir noch schwerer umsteuern können. Wer Kinder oder Enkel hat, ist für das Thema viel zugänglicher. Man könnte Verbote als gerechte Möglichkeit erklären, mit klimaschädlichem Verhalten umzugehen. Niemand würde heute mehr das Verbot infrage stellen, ohne Gurt Auto zu fahren. Veränderungen hin zu Klimaneutralität haben auch viel Positives: Weniger Verkehr und mehr Grün in den Städten etwa oder bessere Gesundheit.

Der Umweltpsychologe

Professor
Gerhard Reese (41) ist seit 2016 Professor für Umweltpsychologie an der Universität Koblenz-Landau. Er hat in Erfurt, Jena, Canterbury, Luxemburg und Leipzig studiert beziehungsweise promoviert.

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