Ein Jungunternehmer im Heusteigviertel schafft individuelle Pflanzenwände für Büro und Wohnzimmer. Marius Weitzer hat sich im ehemaligen Lager der Scientologen Werkstatt und Showroom eingerichtet – eine Location von exotischem Flair.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Seine eigentliche Bestimmung fand Marius Weitzer in der Gartenabteilung bei Obi. Hinter ihm lag eine Ausbildung zum Industriemechaniker bei einem großen Maschinenbauer in der Region. „Aber da konnte ich mich einfach nicht entfalten“, sagt der 29-Jährige. Hier zwischen den Pflanzen, um deren Wohl er sich kümmern musste, war es etwas anderes. „Man hat da eine Verantwortung.“ Für ihn spielte keine Rolle, dass es bloß ein Gelegenheitsjob im Baumarkt war. „Lieber verdiene ich weniger Geld, aber tue, was mir Spaß macht.“

 

Sein Vorbild sind die murs végétales

Pflanzen, die so gut wie hinüber waren, nahm er mit heim, päppelte sie auf und freute sich an ihrem Gedeihen. So wurde es bald eng in der Wohnung. „Vertikale Gärten“ – davon hatte Marius Weitzer schon gehört. Das würde Platz sparen. Er recherchierte und stieß auf einen Mann, der zu seinem Idol wurde: Patrick Blanc. Der promovierte Botaniker und Gartenkünstler aus Frankreich wurde bereits in der 1980er Jahren bekannt mit seinen Pflanzenwänden, senkrechte Beete, an denen Pflanzen emporwachsen, die auf das lokale Klima abgestimmt sind. Patrick Blanc realisierte seine „murs végétales“ beispielsweise an den Fassaden des Caixa-Forums in Madrid, der Galeries Lafayette in Berlin, des Sofitel-Hotel in Wien und am Berliner Kultur-Kaufhaus Dussmann.

Mittlerweile gibt es Indoor-Versionen für den Privatgebrauch und Starter-Kits, die man im Internet bestellen kann. Doch, wer einen botanisch ausgereiften und künstlerisch gestalteten Wandgarten haben will, muss zum Fachmann gehen.

Gelernte Akkuratesse

Wer bei Dämmerung an Weitzers Laden an der Immenhofer Straße vorbeikommt, glaubt in einen künstlichen Dschungel zu blicken. Blätter glänzen im Schein blauer und roter LEDs, Schlingpflanzen winden sich zu Ornamenten, Luftwurzeln tasten in den Raum. Die Fenster sind auf Straßenniveau, der Laden selbst liegt im Souterrain. Bis zum vergangenen Winter hatten die Scientologen die Räume gemietet. Sie dienten als Lager, und man erkannte im Vorbeigehen Ordner und Buchrücken von Werken des Sektengründers L. Ron Hubbard.

Der neue Mieter hat erst mal monatelang renoviert und gebaut. Im Frühjahr endlich konnte Marius Weitzer seinen Laden „Wabito – Wandbiotope“ eröffnen. Wer von der Straße hereinkommt, verlässt die laute und geschäftige Welt draußen, wird umfangen von sonderbarer Ruhe, von warm-feuchter Luft, Wassergeblubber, von sachten Klängen sphärischer Musik. Der Ladeninhaber ist kein versierter Verkäufer, eher ein Tüftler, den man gerade aus seiner Versenkung aufgeschreckt hat. An den Showroom vorn, schließt sich hinten Weitzers Werkstatt an – in der man zweifelsfrei den gelernten Industriemechaniker erkennt: alles hat hier seinen Platz, akkurat liegen Werkzeug und Gerät griffbereit. Dazwischen lagern Bretter, Paletten, alte Möbel und, was Weitzer noch so sammelt für seine Upcycling-Arbeiten. Denn die Philodendren, Palmen, Moose und Efeutute sind nur ein Teil seiner Arbeit, ein anderer sind die Stellagen und Konstrukte, die die Pflanzen tragen: Europaletten, Rohre, ausgediente Möbel. Oft hat der Meister sie bemalt mit Figuren, Hieroglyphen oder psychedelischen Mustern. „Jeder Wandgarten ist ein Unikat“, sagt Weitzer.

Der Natur Platz geben

Eine Sonderform seiner Wandgärten sind die Aquaponiks, zu denen ein Aquarium gehört. Ursprünglich, erklärt Weitzer, stamme die Idee aus der Landwirtschaft. Bei einer Aquaponik-Anlage werden eine geschlossenen Kreislaufanlage zur Fischproduktion und eine Pflanzenanlage für Gemüse und Kräutern aufeinander abgestimmt. Das funktioniert in Klein auch im Wohnzimmer. Die Kombination eines Wandgartens mit einem Aquarium bietet die Möglichkeit, das Gießen zu automatisieren und Wasserspiele zu integrieren. Weitzer zieht das Handy aus der Tasche, wirft den kleinen Wasserfall an und lässt Nebel aus einer Aquaponik-Anlage aufsteigen. Alle Steuerung läuft digital per Handy. „Die Systeme sind autark. Da kann man ruhig zwei Wochen in den Urlaub fahren, ohne dass was passiert.“

Der Laden ist für Weitzer mehr als eine Geldquelle, er begreift ihn als Auftrag und Bestimmung: „Mein Ziel ist es, der Natur wieder etwas Platz zu geben. Wir haben ihr so viel weggenommen!“ Er ist überzeugt, dass Mensch und Natur im Grunde ein gutes Team sind, auch wenn der Mensch in den vergangenen Jahrtausenden nicht immer fair gespielt hat. „Mensch und Pflanze ergänzen sich. Und wenn wir der Natur wieder etwas mehr Raum geben, ist das für beide gut.“