Es war nass, es war kalt, aber das war egal. Das Southside Festival ist gestartet. Mit einer gigantischen Rockshow der Foo Fighters.

Neuhausen ob Eck – Es fallen einem keine vernünftigen Gründe dafür ein, warum ein erwachsener Mensch eine Babywindel auf dem Kopf tragen sollte. Normalerweise. Für einen Flaneur auf dem Southside-Festival erregt die Beobachtung der extravaganten Kopfbedeckung Aufmerksamkeit für höchstens, sagen wir mal, anderthalb Sekunden. Dann kommt schon wieder ein Mumifizierter im Einkaufswagen vorbeigerollt, grölt irgendwer irgendwem irgendwas ins Ohr und schließt ein Froschmann mit Spiderman eine Freundschaft fürs Leben. Oder zumindest für die nächsten drei Tage. Es ist eben Southside.

 

Zwei Tage, bevor die ersten Camper auf den Feldern rund um den Flugplatz in Neuhausen ob Eck mitten im Südschwarzwald ihre Zelte aufschlagen, ist das Festival ausverkauft. 50.000 sollen diesmal kommen. Obwohl das Festival im vergangenen Jahr eine irre Schlammschlacht war. Oder gerade deswegen. Ausverkauft sind jetzt eben auch die Gummistiefel.

Gut angezogen mit Bikini

Am Freitagnachmittag, als die ersten Bands spielen, sind die aber noch nicht nötig. Gnadenlos knallt da die Sonne aufs Gelände, wo die Leistungsschau der deutschen Ravioli-Industrie auf Hochtouren läuft und junge, betrunkene, also: unzurechnungsfähige Männer dieselben Gebäude bauen wie schon als Achtjährige. Nur dass sie diesmal für eine Weile darin wohnen. Die Frauen tragen gerne mal Bikini, damit ist man hier im Grunde auch immer gut angezogen.

Es dauert lange, bis es vor den Bühnen so richtig voll wird, wahrscheinlich ist das Wetter zu schön. Der erste richtig laute Krach des Tages kommt von Boysetsfire. Die sind inzwischen ein bisschen gemäßigt, die Fachjournalisten hinter der Bühne wissen deshalb nicht so recht, wie sie die Musikrichtung nun nennen sollen. Einig sind sie sich darin, dass der Begriff „Post“ vorkommen muss. Also Post Hardcore. Oder so was.

Irgendwer muss untergehen

Um 19 Uhr beginnt dann die Verwandlung des Southside-Festivals von der Freibadliegwiese zur Schlammpackung.

Für I Blame Coco kommt das gerade richtig, denn die spielt in einem der beiden Zelte, die es seit einigen Jahren zusätzlich zu den beiden Hauptbühnen gibt. Deren Frontfrau ist die 21-jährige Tochter von Sting, was lange nicht so bedeutend war, bis man wusste, dass die Tochter von Sting gute und gut gelaunte Popmusik aber dabei durchaus nicht simple Musik macht, oft liegt sie damit irgendwo zwischen Florence & The Machine und Amy MacDonald. Ihre Show eröffnen I Blame Coco übrigens mit der Filmmusik zu „Das Boot“ – da hätte man sich eigentlich schon denken können, dass irgendwer untergehen wird.

Die Band of Horses ist es jedenfalls nicht. Die Indierocker liefern eine der besten Shows des ersten Tages mit verträumter Musik und Artisten, die mit einer riesigen, handgelenkten Figur auf der Bühne an die katalanische Theatergruppe La Fura dels Baus erinnern. Sagen wir, wie es ist: bei schönem Wetter hätte dieses Konzert noch viel besser sein können.

Regen passt besser zu Lykke Li

Später bei den Wombats und den Arctic Monkeys ist einem das alles schon egal. Tausende tanzen den Regenwalzer, der Matsch spritzt, Mülltüten sind längst legitime Kleidungsstücke. Klar, die Arctic Monkeys sind musikalisch anspruchsvoller als die Wombats. Für gute Laune sorgen aber beide gleichermaßen. Und darauf kommt es auf einem Festival schließlich - auch - an.

Das Kontrastprogramm gibt es im Zelt, was zeigt, dass das Southside zwar nicht den Anspruch eines Melt! hat, aber immerhin vielseitiger ist als Rock am Ring. Zur Musik der Schweden Lykke Li im Zelt ist der prasselnde Regen ein guter Begleiter. Redet man sich ein. Und ist hin und weg von der zauberhaften Dame, die so etwas wie die Königin der ersten Southside-Nacht ist. Geheimnisvoll, tiefsinnig, aber nicht abgehoben und mit einer Menge Mädchencharme. Großartig!

Würdige Headliner

Ein paar Stunden und gefühlten 100 Liter Regenwasser pro Quadratmeter später kündigt sich der Headliner an: Die Foo Fighters. Zehntausende stehen vor der Bühne, als die Band von Ex-Nirvana-Sclagzeuger Dave Grohl die größte, lauteste, längste Show des Abends abliefert. Zwei Stunden Rock wie ein Action-Blockbuster im Kino: Mit vorhersehbarer Handlung, einem kantigen Helden und Effekten, die nicht besonders raffiniert, aber wirkungsvoll sind.

Es ist ein Rock'n'Roll-Gottesdienst für E-Gitarren, Schlagzeug und Bass. Drummer Tylor Hawkins prügelt sich fast die Seele aus dem Leib, Dave Grohl führt seine Gitarre, als wäre sie eien Waffe. Und über allem schweben vollbewegliche LED-Würfel und die wattstärkste Lichtshow des Abends. Als dann noch alle minutenlang "Breakout" mitsingen, ist spätestens klar, dass die Foo Fighters würdige Headliner des ersten Tages waren. Das wird schwer zu toppen sein.

StZ-Online berichtet weiter ausführlich über das Southside-Festival. Texte, Bilder und Videos finden Sie im Spezial.

Außerdem twittern wir vom Festival unter @StZ_Live. Auch der Telekom-Twitter-Reporter Jonathan Schneider ist für uns auf dem Festival unterwegs und twittert unter t_Reporter.