Bei den Kleinsten verzeichnet Stuttgart Zuwächse. Dabei steigt der Migrantenanteil stetig. Am höchsten ist er im Gebiet Pragstraße.

Stuttgart - Diese Zahl sticht ins Auge: 100 Prozent Migrantenkinder. Doch das ist keinesfalls der Stuttgarter Durchschnitt. Denn der liegt bei den Kleinkindern bei 59 Prozent, bei den Sechs- bis Zwölfjährigen bei 57,4 Prozent und bei den Jugendlichen bei 53,4 Prozent. Diese und viele weitere Daten finden sich in der neuesten Auflage des Sozialdatenatlasses.

 

Der hundertprozentige Migrantenanteil bezieht sich auf den Planungsbezirk Pragstraße in der Cannstatter Neckarvorstadt und dabei auf die Sechs- bis Zwölfjährigen. Es ist einer von insgesamt 160 Planungsbezirken. In dem 167 Seiten starken Datenwerk, das die Sozialverwaltung jetzt vorgelegt hat, wird aufgelistet, wie sich 2009 die Bevölkerung demografisch zusammensetzt, unter welchen Voraussetzungen die Familien wohnen und leben und wie viele davon Hilfen zum Lebensunterhalt oder zur Erziehung beziehen.

"Der Sozialdatenatlas gibt Hinweise für Antworten", sagte Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer auf Anfrage der StZ. "Den Zwiespalt, welcher Bedarf bei der Versorgung Vorrang haben soll, löst er nicht," sagte sie im Blick auf die begrenzten Ressourcen. Das Werk listet genau auf, in welchen Gebieten in Stuttgart Kinder und Jugendliche schlechtere Bedingungen haben. Dies ist für die Planung weiterer Ganztagsschulen von Bedeutung. Der Atlas dient auch als Steuerungsinstrument in der Jugendhilfe oder auch bei der Stadtplanung.

"Wir versuchen, uns sozialräumig auf die Gebiete zu konzentrieren, in denen ein besonderer Bedarf an Unterstützung besteht - zum Beispiel bei der Sprachförderung, aber auch beim Sport, der Gesundheit und kulturellen Kompetenzen", sagte Fezer. Im Blick auf das Datenwerk meint sie: "Akuten Handlungsbedarf sehe ich nicht, auch Umsteuern ist nicht notwendig. Die sozialpolitische Richtung stimmt."

Soziale Brennpunkte

Nachdenklich stimmt die Bürgermeisterin jedoch, dass sich an der Einteilung der Gebietstypen seit Jahren praktisch kaum etwas geändert habe: Entlang der Talachsen und in bestimmten Aufsiedelungsgebieten dominieren ein hoher Migrantenanteil, kinderreiche Familien, Armut und geringe Bildungschancen, auf der sogenannten Halbhöhe und in den gutbürgerlichen Vierteln ist der Wohlstand zuhause - mit wenigen Kindern, vielen älteren Leuten, geringem Migrantenanteil und jeder Menge Wohnraum. Zwölf Planungsbezirke fallen unter den Gebietstyp sieben, der soziale Brennpunkte markiert. Dies, so Fezer, zeige ihr: "Was wir bisher getan haben, reicht noch nicht aus, etwa um neue Gebiete aus dem Gebietstyp sieben herauszuhieven." Aber sie kündigt auch an: "Wir sind weiter dran - das ist ein Prozess."

Kleinkinder: Die Zahl der unter Sechsjährigen nimmt seit 2007 zu. 2009 sind es 271 Kinder mehr als im Vorjahr. Fezer ist über die Entwicklung sehr erfreut: "Das ist genau das, was wir jetzt brauchen - auch im Blick auf die demografische Entwicklung." Den größten Anteil verzeichnen die Gebiete Lauchhau-Lauchäcker, Burgholzhof, Zuffenhausen-Im Raiser, Wolfbusch und Pragstraße. Die nebenstehende Karte zeigt die Verteilung der Migrantenkinder.

Schulkinder: Die Zahl der Sechs- bis Zwölfjährigen ist weiter rückläufig. Im Vergleich zum Jahr 2008 sind es 447 Kinder weniger. Den größten Anteil verzeichnen Zuffenhausen-Im Raiser, Lauchhau-Lauchäcker, Hausen, Burgholzhof, Österfeld. Den höchsten Anteil an Migranten in dieser Altersgruppe verzeichnet die Pragstraße (100 Prozent), gefolgt von Heilbronner Straße (90,5), Veielbrunnen (90,2) und Prag/Rosenstein (88,6). Am wenigsten Migrantenkinder leben in Neuwirtshaus (18,4 Prozent).

Jugendliche: Seit 2004 geht die Zahl der Zwölf- bis 18-Jährigen zurück. Diese Entwicklung scheint nun gestoppt zu sein. Zuwächse verzeichnen Bad Cannstatt, Hedelfingen, Wangen, Möhringen, Plieningen, während Mühlhausen, Zuffenhausen und Mitte Rückgänge vermelden. Die meisten Jugendlichen aus Migrantenfamilien wohnen in der Pragstraße (95,5 Prozent), die wenigsten in Botnang-West (15 Prozent).

Familien: Der Anteil der Haushalte mit Kindern unter 18 macht im Schnitt 17,6 Prozent aller Haushalte aus - davon sind 20,6Prozent Alleinerziehende. Die Spannbreite der Kinderhaushalte reicht von 2,3Prozent im Pfaffenwald (Unicampus) bis 77,7 Prozent (Zuffenhausen-Im Raiser).

Arbeitslosengeld II: Im Jahr 2009 zeigen sich die Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern steigt im Vergleich zu 2008 um 280 und liegt bei 6811. Das sind 12,6Prozent aller Haushalte mit Kindern.

Übertrittsquote Gymnasien: Im Schnitt schaffen in Stuttgart 51,2 Prozent der Viertklässler den Sprung aufs Gymnasium. Doch die Spannbreite ist groß. Die höchsten Übertrittsquoten verzeichnen Degerloch (73,3 Prozent), Botnang (69,9 Prozent), Nord (68,3) und Sillenbuch (65,2), die niedrigsten sind in Mühlhausen (34,3), Bad Cannstatt/ Münster (42,7), Zuffenhausen (43,0), Ost (43,5) und Mitte (44,8).

Erziehungshilfen: Die höchsten Anteilswerte dieses Angebots der Jugendhilfe für unter 18-Jährige haben die Planungsräume Föhrich (9,6 Prozent), Ostheim-Nord, Birkach-Nord, Chausseefeld, Hallschlag, Bahnhof Feuerbach, Untertürkheim-Tal, Zentrum/Wohnen und Fasanenhof.

Zahlenwerk als Basis für die Jugendhilfeplanung

Bericht: Der 6. Sozialdatenatlas Kinder und Jugendliche listet Daten aus dem Jahr 2009 auf, die das Statistische Amt zusammengestellt hat. Er gliedert die Stadt in 160 Planungsräume auf und wird als wichtiges Instrument für die Bedarfsplanung genutzt, etwa von der Jugendhilfe, aber auch für Ganztagsschulen.

Planungsräume: Das Datenwerk ist in 160 Planungsräume untergliedert, die ihrerseits nach Gebietstypen unterteilt sind. In einer Spanne von eins bis sieben markieren diese die soziale Zusammensetzung – etwa nach Anteil der Kinder, Migranten, Hilfebedarf oder auch nach der Größe des Wohnraums.

Nachwuchs: Im Jahr 2009 leben in Stuttgart insgesamt 592.966 Menschen, davon 30.853 Kinder unter sechs (5,2 Prozent) , 28.562 Sechs- bis unter Zwölfjährige (4,8 Prozent), 29.456 Zwölf- bis unter 18-Jährige (5,0 Prozent) und 18.984 junge Erwachsene von 18 bis 21 Jahren – das ist ein Anteil von 3,2 Prozent.