In den vergangenen Monaten hat die Piratenpartei eine erstaunliche Fähigkeit zur öffentlichen Selbstdemontage im Internet gezeigt. Wir dokumentieren einige der bekanntesten Beispiele.

Stuttgart - Transparenz im Politikbetrieb ist den Piraten ein wichtiges Anliegen, das Internet sehen sie dazu als Instrument. Deshalb gehört Twittern auch für viele Mitglieder der Piratenpartei zum Alltag. Ob öffentliche Selbstdemontage der Partei im Netz ebenfalls für mehr Transparenz sorgt, ist aber zweifelhaft. In den vergangenen Monaten stürzen immer wieder Tweets einzelner Mitglieder die junge Partei in die Krise. Wir dokumentieren einige der bekanntesten Fälle. 

 

Der Berliner Fraktionschef Christopher Lauer machte am 20. Februar Schluss mit Twitter, weil für ihn das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht stimme und weil es ihn stresse. Tweets seien Kalorien für die mediale Fressmaschine, schreibt Lauer in einem Gastbreitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Löschen will er seinen Account dennoch nicht – er nutze Twitter weiterhin zum Verbreiten von Links.

Dafür erntet Lauer Spott und Häme im Netz. Blogger Stefan Niggemeier schreibt beispielsweise, es sei eine tragische Kapitulation, Lauer habe es nicht geschafft einen sinnvollen Umgang mit der neuen Kommunikationsform zu finden.

Aber per SMS lässt es sich ja auch ganz gut gegen Parteikollegen wettern. Anfang Februar hat Lauer dem politischen Geschäftsführer der Piraten, Johannes Ponader, per SMS gedroht: „Lieber Johannes, wenn Du bis morgen 12:00 Uhr nicht zurückgetreten bist knallt es ganz gewaltig […]“. Und es geht noch weiter: „Alter, wie verstrahlt bist Du denn? Du merkst ja gar nichts mehr“, hat Lauer seinem Parteifeind Ponader gesimst. Ponader hat den Dialog auf seiner Website veröffentlicht, Lauer hat zugegeben, die SMS geschrieben zu haben.

Der rechtspolitische Sprecher der Piratenpartei in Nordrhein-Westfalen, Dietmar Schulz, sorgte im November 2012 mit einem Tweet anlässlich des Volkstrauertags für Aufregung. „Grotesk: Gedenken der Opfer von Gewaltherrschaft und Krieg auf jüdischem Friedhof während Israel bombt, was das Zeug hält“, hat er über den Kurznachrichtendienst gezwitschert. Nach massiver Kritik und Antisemitismus-Vorwürfen nahm Schulz auf seinem Blog dazu Stellung, löschte den Tweet und entschuldigte sich.

Auch die Piratin Birgit Rydlewski twittert gern und viel – vor allem Privates. So sorgte sie im August 2012 für Gesprächsstoff, als  sie ihren Followern tiefe Einblicke in ihr Intimleben gewährte:

 In einem weiteren Tweet gab die freigestellte Berufsschullehrerin Rydlewski der Internetgemeinde dann noch einen pädagogischen Ratschlag:

Rydlewskis intime Tweets kam bei einigen Twitter-Nutzern gut an:  „Ich find deine Offenheit immer wieder bewundernswert! Danke dafuer!“, twitterte einer ihrer Follower. Anderen User hingegen stießen die Äußerungen der freizügigen Piratin sauer auf: „Tut mir leid, aber nach so einem Tweet wie eben erwähnt kann ich Sie nicht mehr ernst nehmen“, war beispielsweise unter Rydlewskis Tweet zu lesen.

Rydlewski, die sich selbst als „Vieltwitterin“ bezeichnet (über 45.000 Tweets) sorgte für einen weiteren Eklat, als sie sich Anfang November 2012 per Twitter über die Langeweile im nordrhein-westfälischen Landtag beschwerte: „Heute! Und morgen! Tage, an denen man sich klonen müsste und eigentlich nur ins Bett will.“ Außerdem ließ die Piratin ihre mehr als 3000 Follower wissen, sie sei „übermüdet und albern“. Ein Twitter-User reagierte verärgert: „Fällt Dir nicht auf, dass du Dich fast pausenlos über deinen Parlamentsjob auslässt?“