Wo Vater oder Mutter den Unterhalt nicht zahlen können oder wollen, hilft der Staat aus. Eine Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes von Mitte vorigen Jahres wirkt sich erfreulich aus – denn immer mehr Ein-Eltern-Familien im Südwesten profitieren davon.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Reform des Unterhaltsvorschusses begünstigt immer mehr alleinerziehende Frauen und ihre Kinder in Baden-Württemberg. Die Inanspruchnahme der staatlichen Leistung wächst rasant. Mitte des Jahres wurden nach neuen Angaben des Sozialministeriums 60 798 Leistungsbezieher gezählt. Ende März waren es noch 57 101, Ende Dezember vorigen Jahres 51 301 und Ende Juni 2016 lediglich 32 007 Kinder in Haushalten von Alleinerziehenden, die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhielten.

 

Den Vorschuss gibt es jetzt bis zum 18. Lebensjahr

Bis Juni vorigen Jahres wurde diese Leistung maximal 72 Monate lang und nur bis zum zwölften Geburtstag des Kindes gezahlt. Seit dem 1. Juli 2017 gibt es den Unterhaltsvorschuss bis zum 18. Lebensjahr – bei unbegrenzter Bezugsdauer. Die neuen Zahlen gehen aus einer unserer Zeitung vorliegenden Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag hervor. Deren familienpolitischer Sprecher Andreas Kenner lobte die Reform der früheren Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD). Die betroffenen Kinder profitierten davon, dass der Staat jetzt zunächst auslegt, was ihre Väter und manchmal auch ihre Mütter nicht zahlen wollten oder könnten. „Das bedeutet für viele das Entkommen aus dem Hartz IV-Bezug oder jedenfalls einen gewisse Erhöhung des sonst nicht unbedingt üppigen Einkommens“, so Kenner. „Wenn nicht unter anderem Sozialminister Manfred Lucha gebremst hätte, hätten diese Haushalte die Verbesserungen auch schon einige Monate früher haben können.“

Nachteile beim Haushaltseinkommen möglich

Laut Sozialministerium war es auch ein Ziel der Reform, dass der größeren Zahl von Unterhaltsvorschussbeziehern ein Rückgang von Bedarfsgemeinschaften mit Alleinerziehenden gegenübersteht, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erhalten. Ende Juni gab es noch 45 600 dieser Bedarfsgemeinschaften – nach 48 205 Mitte 2017. In bestimmten Konstellationen kann es allerdings zu einer Verschlechterung des Haushaltseinkommens durch die Reform kommen – etwa wenn Alleinerziehende Kinderzuschlag und Wohngeld erhalten, aber gleichzeitig auch der Unterhaltsvorschuss als Einkommen angerechnet wird. Nun wollen die Fachministerien der großen Koalition in Berlin über eine bessere Abstimmung zwischen Kinderzuschlag, Wohngeld und Unterhaltsvorschuss nachdenken.

Fahrverbote für säumige Unterhaltszahler geplant

Beliefen sich die Ausgaben für den Unterhaltsvorschuss in Baden-Württemberg im Jahr 2016 auf 70,7 Millionen Euro, waren es 2017 schon 88 Millionen. Derweil ist die sogenannte Rückgriffsquote von 28 Prozent im Jahr 2017 auf derzeit lediglich 18 Prozent gefallen. Das heißt: Nicht einmal ein Fünftel der Ausgaben wird von den säumigen oder zahlungsunfähigen Erzeugern zurückgeholt. Grund: Diese Prozedur dauert in der Regel etwa ein Jahr. Zunächst muss der Aufenthaltsort des Unterhaltspflichtigen ermittelt, der Unterhalt berechnet, der Rückgriff vor Gericht geltend gemacht und dann vollzogen werden. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) will säumigen Unterhaltszahlern auch mit Fahrverboten Beine machen.

Die Unterhaltsvorschussstellen im Land wurden davon überrascht, dass die Zahl der Anträge infolge der Reform seit Mitte 2017 sprunghaft gestiegen ist. Landesweit kam es gerade in größeren Städten zu längeren Bearbeitungszeiten und Verzögerungen bei der Auszahlung. Um finanzielle Härten zu vermeiden, wurden Anträge von Alleinerziehenden, deren Lebensunterhalt nicht durch andere Sozialleistungen gesichert ist, vorrangig bearbeitet. Mittlerweile gingen keine Beschwerden mehr über unbearbeitete Anträge ein, betont das Sozialministerium. Bearbeitungsrückstände seien nicht mehr erkennbar. Dennoch denkt nun eine Arbeitsgruppe des Hauses über eine Vereinfachung der Behördenarbeit auf diesem Feld nach.