Der Nationale Bildungsrat – ein zentrales Projekt von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) – kommt nicht aus der Kritik. Nun wehren sich mehrere Spitzenverbände der Wirtschaft und der Gewerkschaften gegen eine Ausgrenzung.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Das Projekt gehört zu den wesentlichen Vorhaben von Union und SPD, kommt aber wegen massiver Kritik nicht aus den Startblöcken. Auch ein Scheitern erscheint denkbar. Verantwortlich dafür ist die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die nach den Bundesländern nun auch die Sozialpartner mit ihren Plänen auf die Palme bringt.

 

Laut dem Koalitionsvertrag soll der Bildungsrat Leitlinien der Bildungspolitik in Deutschland erarbeiten. Er soll Empfehlungen für mehr Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit im Bildungswesen vorlegen sowie die Kooperation der diversen staatlichen Ebenen und Akteure über die ganze Bildungsbiografie hinweg fördern.

Keine „Rosinenpickerei“ mit Wirtschaft und Gewerkschaften

Von einer Bildungsstrategie aus einem Guss ist man aber weit entfernt. Mehrere Spitzenverbände der Wirtschaft und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) haben in einem gemeinsamen Brief auf ihre Beteiligung am Nationalen Bildungsrat gepocht. „Wir halten es nicht zuletzt aufgrund der großen Bedeutung der beruflichen Bildung und der Beziehung von Bildungs- und Beschäftigungssystem zueinander für zwingend, dass die Spitzenverbände der Wirtschaft und die Gewerkschaften gleichermaßen vertreten sein werden“, heißt es in dem unserer Zeitung vorliegenden Schreiben. Unterzeichnet wurde es von Spitzenvertretern des DGB, der Vereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), des Industrie- und Handelskammertags (DIHK) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).

„Die Sozialpartner haben gesetzlich verbriefte Steuerungsaufgaben in der beruflichen Bildung“, sagte DGB-Vize Elke Hannack unserer Zeitung. „Deswegen wäre es fast grotesk, wenn die staatliche Seite die Gewerkschaften und die Spitzenverbände der Wirtschaft ausgrenzt.“ Die Sozialpartner gestalteten gemeinsam die Ausbildungsordnungen und nähmen die Prüfungen ab. Dies sichere die hohe Akzeptanz der beruflichen Bildung bei den Betrieben. Die DGB-Vize mahnt bei Bund und Ländern „ein klares ordnungspolitisches Verständnis von Sozialpartnerschaft“ in der Bildung an. Es könne keine „Rosinenpickerei“ geben, wonach Wirtschaft und Gewerkschaften „je nach Lust und Laune mal ausgegrenzt und mal beteiligt werden“.

„Flut von unterschiedlichen Gremien“

Hannack kritisiert zudem eine „Flut von Gremien“, die die große Koalition auslöse: neben dem Bildungsrat die Nationale Weiterbildungsstrategie, eine Allianz für Aus- und Weiterbildung, eine Enquetekommission für Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt, einen Berufsbildungspakt. „Da muss geklärt werden, welches Gremium welche Aufgaben übernimmt“, sagte sie. „Eine Kakofonie der Gremien sollten wir tunlichst vermeiden.“

Laut Karliczek soll der Bildungsrat nach dem Vorbild des Wissenschaftsrates aus zwei Kommissionen bestehen. So plant sie eine Bildungskommission mit Vertretern der Wissenschaft, des öffentlichen Lebens und etwa von Schulen, weil sie Wert auf „ausgewiesene Bildungspraktiker“ legt. Gleichberechtigt daneben stehen soll eine Verwaltungskommission aus Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen. Beschlüsse soll der Rat nur in einer Vollversammlung fassen. Er soll „losgelöst vom Kleinklein des Tagesgeschäfts“ und „mit der gebotenen Distanz“ Empfehlungen abgeben – anders als die Kultusministerkonferenz aber keine Entscheidungen treffen.

Mehr Einfluss für die Kommunalverbände

Matthias Schneider, baden-württembergischer Geschäftsführer der Erziehergewerkschaft GEW, sieht in dem Bildungsrat ein „sinnvolles Instrument, wenn es dazu führt, dass am Ende das Geld bei den Kindern und Jugendlichen ankommt, und wenn der in allen Bundesländern festzustellende Sanierungsstau beim Schulbau ein Stück weit aufgelöst werden kann“. Der quantitative Ausbau sei aber nur eine Seite der Medaille. Der Rat müsste vielmehr auch „Standards definieren, nach denen das Geld ausgegeben werden soll“, fordert Schneider. Viele Länder und Kommunen wollten sich diese bisher nicht vorschreiben lassen. Zugleich müssten die kommunalen Spitzenverbände eine stärkere Rolle spielen. Von denen hänge in der Umsetzung viel ab, weil die Schulträgerschaft in der Regel bei den Kommunen liege.