Wie reagieren Kraken auf Drogen? Forscher aus den USA haben das nun untersucht. Und stellten fest: Bestimmte Mechanismen im Gehirn der Tiere funktionieren ganz ähnlich wie bei Menschen.

Baltimore - Mehr als 500 Millionen Jahre Evolution trennen den Oktopus vom Menschen. Als Drogenkonsument aber reagiert zumindest eine Art dennoch sehr ähnlich: Mit Ecstasy werden die eigentlich einzelgängerisch lebenden Tiere kuschelig, berichten US-Forscher im Fachmagazin „Current Biology“. Was nach bizarrer Wissenschaft klingt, hat durchaus einen ernsten Kern: Das Team erhofft sich so Rückschlüsse auf die Entwicklung des Sozialverhaltens im Verlauf der Evolution ziehen zu können.

 

Getestet wurde die Wirkung des Stoffes MDMA, der bei Menschen die Neigung zu sozialem Umgang und das Gefühl zwischenmenschlicher Nähe steigern kann. Die Forscher verabreichten den Stoff in verflüssigter Form vier Kalifornischen Zweipunktkraken (Octopus bimaculoides), wie Eric Edsinger vom Marine Biological Laboratory in Woods Hole (Massachusetts) und Gül Dölen von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore (Maryland) berichten. Diese Art ist gut im Labor zu halten, zudem wurde ihr Erbgut bereits vollständig entziffert.

Unter Drogeneinfluss ähnelte das Verhaltem der Tiere dem in der Paarungszeit

Für die Untersuchung kamen die Kraken dann in ein dreigeteiltes Wasserbecken. Hier mussten sich die intelligenten Tiere für eine von drei Kammern entscheiden, die mit Durchgängen verbunden waren: Eine der Kammern war leer, in einer war eine Spielzeugfigur und in der dritten saß ein weiterer Krake in einem kleinen Käfig.

Die deutliche Wirkung der im Wasser gelösten Substanz auf die Tiere überraschte die Forscher: Die Kraken, die normalerweise als eher asozial gelten und – außerhalb der Paarungszeit – den Kontakt zu anderen Artgenossen meiden, zeigten unter dem Einfluss von Ecstasy plötzlich ein sozialeres Verhalten. Sie näherten sich dem anderen Kraken an, berührten das Tier mit ihren Armen und hielten sich deutlich länger in der Kammer auf, als ohne MDMA. Das Verhalten ähnelte unter dem Drogeneinfluss jenem in der Paarungszeit – das galt selbst für Männchen, die auf Männchen trafen. Unter normalen Umständen reagieren die Tiere meist aggressiv auf sich nähernde Artgenossen.

Zwar sei das Gehirn eines Kraken dem einer Schnecke ähnlicher als dem eines Menschen, erklärt Dölen. Es gebe aber durchaus Ähnlichkeiten im Erbgut – zum Beispiel beim Serotonin-Transporter-Gen. Das von diesem codierte Membranprotein sei die primäre Andockstelle für MDMA im Gehirn. Dadurch, dass MDMA an das Protein in den Neuronen bindet, werden diese bei Menschen dazu angeregt, besonders viel Serotonin auszuschütten.

Botenstoff-Systeme im Gehirn haben sich durch die Evolution hindurch erhalten

„Die Daten belegen, dass auch Zweipunktkraken neuronale Mechanismen haben, die soziales Verhalten fördern“, schreiben die Forscher. Diese Ergebnisse stützten die Annahme, dass frühe Botenstoff-Systeme sich sowohl bei Wirbeltieren als auch Weichtieren durch die Evolution hinweg erhalten haben, erläutern die Forscher. Zu diesem uralten Erbe gehöre, dass Serotonin soziales Verhalten zum Beispiel während der Paarungszeit beeinflusst.

Die Wissenschaftler betonen, dass weitere Analysen das Ergebnis noch bestätigen müssen. Sie sind bereits dabei, das Erbgut zweier weiterer Kraken-Arten zu entziffern, die zwar eng verwandt sind, aber deutlich ver-schiedene Verhaltensweisen zeigen. Auf diese Weise wollen sie die Evolution des sozialen Verhaltens detaillierter erkunden. Die Reaktion der Kraken könnte den Wissenschaftlern zufolge letztlich auch dazu beitragen, die Reaktion des menschlichen Gehirns auf eine therapeutische Gabe von Ecstasy besser zu verstehen.