Von Dienstag an werden die Unterlagen für die Sozialwahlen 2017 versandt. Der stellvertretende Bundeswahlbeauftragte Klaus Wiesehügel verteidigt die Kosten von knapp 50 Millionen Euro – bedauert aber auch, dass die CSU eine Online-Wahl verhindert hat.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Klaus Wiesehügel (SPD), stellvertretender Bundeswahlbeauftragter neben Rita Pawelski (CDU), sieht zu dem System der Sozialwahlen keine Alternative. Der Politik will er die Aufgaben nicht überlassen, weil sie sich zu wenig an der Sache orientiere, wie er meint.

 
Herr Wiesehügel, können Sie kurz und knapp sagen, warum die Bürger an der Sozialwahl teilnehmen sollten?
Weil die meisten Bürger Versicherte sind und ein Interesse daran haben müssten, wie ihre Beiträge bei den Rentenversicherungen und Krankenkassen verwaltet werden. Zudem ist es für mich eine unerschütterliche Wahrheit, dass man ein demokratisches Recht zum Wählen auch ausüben muss.
Können Sie ein Beispiel nennen, wo der Bürger konkret Einfluss nehmen kann?
Er kann entscheiden, wer seine Interessen am besten vertritt – dass es etwa ein ausreichendes Reha-Budget gibt, die Rechte der Versicherten ausreichend gewahrt werden und das Hauptamt aus Versichertensicht richtig besetzt wird.
Gibt es kein verständlicheres System?
Hier geht es um Milliarden-Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Irgendjemand muss die Menschen doch kontrollieren, die nachher mit ihrem Geld umgehen. Schon im vorletzten Jahrhundert hat man gesagt: Wenn wir die Beiträge zu den Sozialversicherungen gemeinsam finanzieren, müssen wir auch ein Auge draufhaben. So sind die Sozialwahlen vor über 100 Jahren entstanden. Der Grundsatz ist geblieben. Würde man diesen streichen – wer soll denn diese Aufgaben übernehmen? Sollen sich die Abgeordneten im Bundestag demnächst darüber streiten, wie groß das Reha-Budget ist? Dies hielte ich für abenteuerlich, denn die müssen aus Koalitionszwang oftmals auf die richtigen Entscheidungen verzichten. Die Versichertenvertreter hingegen entscheiden an der Sache orientiert – nicht an der Parteipolitik.
Ist das alles nicht undurchschaubar, wenn im Vorfeld Kandidatenlisten ausgekungelt werden?
Wo wir Wahlen zwischen mehreren Listen haben, wird nicht viel gekungelt. Wo es lediglich eine Liste gibt, weil nur eine Organisation eine Liste mit Kandidaten eingereicht hat, bedarf es keiner Wahlhandlung.
Könnte man mehr Transparenz schaffen?
Meine Aufgabe ist es ja, gemeinsam mit der Bundeswahlbeauftragten Transparenz herzustellen. So versuchen wir, möglichst viel zu informieren – was schwierig ist, weil die Materie insgesamt sehr trocken ist.
Kann man bei der Wahl seiner politischen Präferenz Ausdruck verleihen?
Es geht nicht um politische Parteien, sondern um die Wahrnehmung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberrechten. Da kann man eine gewerkschaftliche oder freie Liste wählen – je nachdem, wo sich der Versicherte am besten aufgehoben fühlt.

„Noch nicht einmal ein Euro pro Wähler veranschlagt“

Aber der Aufwand ist riesig – kann man sich den nicht sparen?
Der Aufwand ist nicht riesig. Es gibt eine Briefwahl. Jeder bekommt einen Umschlag und einen Stimmzettel, den kann er ankreuzen und zurückschicken. Er hat selbst keine Kosten. Diese werden von den Versicherungsträgern übernommen. Und pro Wähler wird noch nicht einmal ein Euro veranschlagt, sodass wir insgesamt unter 50 Millionen Euro liegen. Da ist alles mit drin. Angesichts der vielen Wahlberechtigten ist das keine wirklich große Summe. Die Bundestagswahl, Landtags- und Kommunalwahlen sind bedeutend teurer.
Eine Online-Wahl wäre zeitgemäß und würde vieles vereinfachen?
Die beiden Bundeswahlbeauftragten haben diese eingefordert. Im Koalitionsvertrag ist sie sogar vereinbart. Letztlich ist es an einer kleineren Partei der Koalition gescheitert…
… der CSU…
… die Sozialexperten von CDU und SPD waren sich da einig, es zu versuchen. Ich verstehe nicht, dass dies nicht gelungen ist. Wir hatten eine Krankenkasse gewonnen, die zumindest bereit war, einen Probelauf zu machen, um zu sehen, ob eine höhere Wahlbeteiligung dabei herauskommt. Doch hat sich der Bundestag nicht dazu durchringen können, die Online-Wahl im Gesetz festzuschreiben. Daher können wir diese nicht einfach ausrufen. Ein Problem ist, dass einige Staaten wie Kanada, die ihre politischen Wahlen bereits online machen, aufgrund von Sicherheitsbedenken schon wieder zurückrudern.
Welche Wahlbeteiligung streben Sie an?
Wir wollen eine größere Wahlbeteiligung als beim letzten Mal im Jahr 2011. Somit wünschen wir uns deutlich mehr als 15 Millionen Wähler – damit auch eine Quote von klar über 30 Prozent, was sich dann durchaus sehen lassen könnte.