Die soziokulturellen Zentren altern mit ihrem Publikum. Neue Konzepte müssen her. Das Merlin in Stuttgart und die Dieselstrasse in Esslingen haben solche Konzepte. Anderswo taugen sie nicht.
Stuttgart - In den Augen vieler steht das Kulturzentrum Dieselstraße in Esslingen für Frauendiscos, internationale Frühstücke und Jazzkonzerte. Ein Angebot, das aller Ehren Wert ist – allein: da ist nicht viel für junges Publikum im Alter unter, sagen wir, 35 Jahren, dabei. Was man des öfteren an der Zusammensetzung des Publikums merkt. Und was auch die Macher der Dieselstraße gemerkt haben. Deshalb steuern sie gegen, und zwar von diesem Freitag an. Da beginnt die Konzertreihe „Young River Concerts“ mit einem Auftritt des Bodybuilders und Schlagersängers Rummelsnuff.
„Wir können uns nicht darauf ausruhen, dass uns 50-Jährige toll finden“, sagt die Dieselstraße-Geschäftsführerin Sabine Bartsch. „Wir Kulturleute können uns auch nicht leisten, dass die Jugend in die größeren Städte abwandert.“ Nach Stuttgart zum Beispiel. Dort ist für ein junges, kulturinteressiertes Publikum mehr geboten als in Esslingen, wo solche Interessen bisher nur vom Jugend- und Kulturhaus Komma bedient werden. Und jetzt eben auch von der Dieselstraße.
Die ist mit ihren Bemühungen nicht alleine. Erst vor wenigen Tagen endete im Stuttgarter Kulturzentrum Merlin das achte Pop-Freaks-Festival: drei Wochen voller gut besuchter, alternativer Pop-Konzerte, von denen eines sogar in den ausverkauften Wagenhallen stattfand. „Wir werden zum Anlaufpunkt für die Szene, und das Festival strahlt auch auf unser übriges Programm aus“, sagt Barbara Bruns vom Merlin. Will heißen: Wer für eins der Pop-Freaks-Konzerte in den Stuttgarter Westen gekommen ist, kommt womöglich wieder – etwa zum Sommerfestival Klinke oder zu den zahlreichen anderen Veranstaltungen. Wie die Dieselstraße holt sich auch das Merlin Hilfe von einem externen Programmmacher. Es zahle sich aus, dass man „volles Vertrauen“ in Arne Hübner habe, so Barbara Bruns.
Mit dem Publikum gealtert
Das Blaue Haus in Böblingen ist erst vor sechs Jahren eröffnet worden. Es ist damit die Ausnahme unter den 16 im Landesverband Laks organisierten soziokulturellen Zentren in der Region Stuttgart. Die meisten dieser Zentren wurden zwischen 1970 und 1990 von jungen Kulturbegeisterten gegründet und sind in Teilen mit den Machern und dem Publikum gealtert. Die Clubs und Zentren entstanden häufig aus einem Mangel an geeigneten Angeboten vor Ort, oft als offene Bühne mit viel ehrenamtlichem Engagement. Doch heute müssen sich die Häuser mit allerlei kommerziellen Veranstaltern messen – gerade wenn es darum geht, ein jüngeres Publikum anzulocken.
Die Diskussion über eine Verjüngung und die Suche nach neuen Konzepten laufen seit einigen Jahren. „Mit Folk und Jazz ziehst du keine jungen Besucher an“, weiß Sabine Bartsch von der Dieselstraße. Was besser funktioniert: alternativer Pop, der sich für kommerzielle Veranstalter oftmals nicht rechnet, aber auch Song-, Poetry- und Science-Slams, ungewöhnliche Comedy-Formate oder Bandwettbewerbe – eben neue Formate, die man sonst nicht kriegt.