Schon 2011 trennte sich die CDU Nordwürttemberg von ihrem Bezirksgeschäftsführer. Bis heute attackiert dieser den Vorsitzenden Steffen Bilger. Nun hat er einen Erfolg erzielt – doch der Streit geht vor Gericht weiter.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Zeitpunkt der Pressemitteilung war gewiss kein Zufall. Gut eine Woche vor der Bundestagswahl erhob der frühere Geschäftsführer der CDU Nordwürttemberg, Albert Seiz, schwere Vorwürfe gegen seine Partei. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in erheblicher Höhe sei diese schuldig geblieben, weil sie ihn einst zu Unrecht als freien Mitarbeiter eingestuft habe. Nun aber habe die Deutsche Rentenversicherung festgestellt, dass er doch abhängig beschäftigt gewesen sei und mithin Beiträge fällig gewesen wären, meldete Seiz per breitem Mail-Verteiler. Das hätte eigentlich schon zu Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 2006 geklärt werden können, fügte er hinzu, sei aber unterblieben – ein Versäumnis auch des heutigen CDU-Bezirkschefs Steffen Bilger, der damals schon dem Vorstand angehört habe und zudem Rechtsanwalt sei.

 

Bilger (38) war der eigentliche Adressat der Attacke, mitten in der heißen Wahlkampfphase sollte sie ihn treffen. Die Resonanz blieb zwar gering, als Ludwigsburger Abgeordneter wurde er klar wiedergewählt. Doch der Ärger mit dem einstigen Parteimanager, weiß er seither, wird so schnell nicht aufhören. Er begann 2011, als der einstige Landeschef der Jungen Union als Nachfolger von Wolfgang Reinhart zum CDU-„Bezirksfürsten“ in Nordwürttemberg gewählt wurde. Reinhart, heute CDU-Fraktionschef im Landtag, hatte den von einem Europaabgeordneten empfohlenen Seiz 2006 als Geschäftsführer geholt. Der Tipp war offenbar gut, jahrelang, hört man, sei die Zusammenarbeit reibungslos gelaufen.

Bilger lässt die Angriffe ins Leere laufen

Bilger beendete sie bald nach seinem Amtsantritt – offenbar auf eine Weise, die tiefe Verletzungen hinterlassen hat. Er hätte ja mit sich reden lassen, sagt der Steuerberater Seiz bis heute, aber man habe nicht mit ihm geredet, sondern einfach Fakten geschaffen. Seither lässt er kaum eine Gelegenheit aus, um gegen den Parteifreund zu schießen. Mal geht es um formale Dinge wie die Umstände seiner Kündigung oder eine angebliche Einflussnahme auf das Parteigericht, mal kandidiert er bei CDU-Treffen chancenlos gegen den Bezirkschef – und attackiert ihn, wie zuletzt 2015, als glatten Politkarrieristen. Die Basis verfolgt derlei Auftritte teils ratlos, teils ungehalten. Es müsse schon einiges schiefgelaufen sein, meinen neutrale Beobachter, dass der Konflikt inzwischen sechs Jahre schwele.

Bisher war es Bilgers Strategie, die Anwürfe ins Leere laufen zu lassen. „Ich kenne diese Person, ich ignoriere sie“, erwiderte er einmal; er werde auch nicht juristisch gegen Seiz vorgehen. Doch mit der Frage nach seinem Status als Geschäftsführer hat dieser ein Thema gefunden, bei dem der Bezirksverband reagieren muss. Auf seinen Antrag hin erkannte die Rentenversicherung reihenweise Merkmale für eine abhängige Beschäftigung – und praktisch keine für eine selbstständige Tätigkeit, auf die die Partei pocht. Seiz habe „auf eigenen Wunsch auf freiberuflicher Basis“ gearbeitet, ließ Bilger seine Pressesprecherin mitteilen. Das stimme nicht, behauptet Seiz, die Initiative dafür sei nicht von ihm ausgegangen. Er unterschrieb freilich den Teilzeit-Vertrag, in dem auch weitere Engagements neben dem CDU-Job fixiert sein sollen, etwa als Lehrbeauftragter.

Reinhart begrüßt rechtliche Klärung

Mit dem Seitenhieb auf Bilger, der als Anwalt ja besonders rechtskundig sei, wirft Seiz ungewollt Fragen nach Reinharts Rolle bei der Vertragsgestaltung auf. Mehr noch als ein Beisitzer scheint der Bezirkschef in der Verantwortung, zumal Reinhart als einen Schwerpunkt seiner Anwaltstätigkeit das Arbeitsrecht nennt. Doch mit den rechtlichen Einzelheiten, verlautet aus der Partei, habe er sich damals nicht befasst. Solche Verträge seien stets Sache des aus der Wirtschaft stammenden Schatzmeisters gewesen, der sich damit auskannte. Er begrüße es, sagt Reinhart heute, dass sein Nachfolger Bilger die Sache nun „auf dem Rechtsweg klären“ lasse.

Anhängig ist sie nach Parteiangaben beim Sozialgericht Stuttgart, wo die CDU den Statusbefund der Rentenversicherung anficht; eine Entscheidung stehe noch aus. Alle Vorwürfe des früheren Geschäftsführers, sagt die Sprecherin, weise man zurück. Albert Seiz denkt derweil schon weiter. Sollte die Partei Steuern und Sozialabgaben in womöglich sechsstelliger Höhe nachzahlen müssen, wären ihre Rechenschaftsberichte nicht mehr korrekt. Per Mail hat er darauf bereits die zuständige Bundestagsverwaltung hingewiesen – mit der Bitte um Prüfung „und gegebenenfalls entsprechende Sanktionsmaßnahmen“.