Österreich und die Stadt Jena beschließen eine Mundschutz-Pflicht beim Einkaufen – deutschlandweit wird nun ebenfalls dazu geraten, anordnen wollen es Jens Spahn und Winfried Kretschmann aber bisher nicht.

Berlin - In Asien gehört das Tragen eines Mundschutzes seit Beginn der Coronakrise zum Alltagsbild. Nachdem auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und die Stadt Jena am Montag eine Maskenpflicht in Supermärkten erlassen haben, soll dies zum Schutz anderer nun auch allen Bundesbürgern nahegelegt werden. In einer Videokonferenz der 16 Länderregierungschefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch wollen Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und dessen bayerischer Amtskollege Markus Söder (CSU) gemeinsam auf eine entsprechende Empfehlung dringen, wie der Stuttgarter Regierungschef am Dienstag sagte.

 

Es geht dabei um selbst gebastelten Mundschutz, für den es auf der Internetseite der Landesregierung eine Bauanleitung gibt. Ein derartiger Mund-und-Nase-Schutz aus Baumwolle oder anderen Stoffen bietet im Gegensatz zu professionellen Masken vom Typ FFP2 oder FFP3 keinen umfassenden Schutz vor Corona, sorgt aber nach Angaben von Lothar Wieler, dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, dafür, „dass die Tröpfchen nicht so weit fliegen“.

Selbstgenähte Masken schützen andere

Wer also beispielsweise ohne sein Wissen infiziert ist und zum Einkaufen geht, erhöht mit einer Maske der Marke Eigenbau den Schutz der Mitarbeiter und Miteinkäufer. „Das empfehlen wir von Beginn an“, sagte Wieler am Dienstag, „und das empfehlen wir auch jetzt.“

Die Bundesregierung hatte bereits am Montag ebenfalls eine vorsichtige Empfehlung ausgesprochen. „Eine Maske vor dem Mund kann in gewisser Weise dazu beitragen, das Ansteckungsrisiko zu vermindern, aber natürlich für denjenigen, der Ihnen gegenübersteht“, so Regierungssprecher Steffen Seibert.

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Er bezeichnete improvisierten Modelle als „eine sinnvolle Ergänzung zu den ohnehin geltenden Hygieneregeln“, warnt aber, das Tragen einer solchen nicht medizinischen Maske dürfe eben nicht dazu führen, dass sich ein falsches Sicherheitsgefühl einstelle und man dann beim Abstand oder bei den Hygieneregeln insgesamt nicht mehr so aufmerksam sei. Das unterstreicht auch die Stadt Stuttgart.

Maskenpflicht nur für bestimmte Geschäfte?

Eine generell Mundschutzpflicht hält auch Karin Maag, die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, noch für überflüssig. „Solange zum Beispiel beim Einkauf auf den empfohlenen Mindestabstand Rücksicht genommen wird und die baulichen Gegebenheiten das auch zulassen, ist eine Maskenpflicht nicht notwendig“, sagte die Stuttgarter CDU-Abgeordnete.

Eine Verpflichtung für bestimmte Geschäfte hält sie jedoch für sinnvoll: „In beengten Räumen, und wenn eine Warteschleife vor den Geschäften nicht funktioniert, kann über Maskenpflicht nachgedacht werden.“

Kretschmann: Keine neue Knappheit schaffen

Maag, Kretschmann und andere stellten am Dienstag klar, dass bei den Bürgern nun nicht der Eindruck entstehen dürfe, dass sie sich selbst auf die Suche nach professionellen Masken machen sollen. So hatte etwa Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Montag in den sozialen Netzwerken Kritik auf sich gezogen, nachdem er auf Twitter ein Video veröffentlicht hatte, in dem er sich offenbar eine kaum erhältliche medizinische Maske umbindet.

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Der grüne Ministerpräsident Kretschmann sagte: „Es wäre jetzt ganz falsch, da Masken ohnehin knapp sind, eine zusätzliche Knappheit zu schaffen.“ In der aktuellen Lage habe die „Versorgung aller Gesundheitseinrichtungen deutlich Vorrang“, betonte auch Karin Maag: „Wenn die Versorgung von Krankenhäusern, Ärzten, Zahnärzten, Gesundheitsfachberufen, ambulanter und stationärer Pflege und Reha-Kliniken mit den jeweils qualitativ notwendigen Masken sichergestellt ist, reden wir über weitere Maßnahmen.“

Das Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) sieht eine staatlich angeordnete Maskenpflicht als Teil eines Plans, um zu einem späteren Zeitpunkt die Ausgangsbeschränkungen wieder zu lockern. „Die Nutzung von solchen Masken kann man in Erwägung ziehen, wenn wir über Ausstiegsszenarien aus den ganzen Maßnahmen nachdenken“, so ein Sprecher: „Die Industrie stellt sich schon darauf ein, Masken zu fertigen.“

Die Stadt Jena als Vorreiter

Als wohl erste deutsche Großstadt verpflichtet Jena seine Bürger, in Supermärkten, Bussen und Bahnen gegen die Corona-Pandemie Schutzmasken zu tragen. Nach Angaben der Stadtverwaltung soll das Tragen eines Mund-und-Nasen-Schutzes in Verkaufsstellen, dem öffentlichen Nahverkehr und Gebäuden mit Publikumsverkehr in einer Woche verpflichtend werden.

Die Umsetzung werde schrittweise erfolgen, sagte Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP). „Wir wollen so die weitere Verbreitung des Virus innerhalb der Stadt durch Tröpfcheninfektion beim Niesen oder Husten eindämmen.“ Es gebe eine hohe Dunkelziffer. Beim Spazierengehen, Joggen oder anderen Aktivitäten im Freien sei allerdings kein Mundschutz Pflicht, ergänzte er.

Die Universitätsstadt gilt in Thüringen als Brennpunkt der Corona-Pandemie mit inzwischen mehr als 100 bestätigten Infektionen. Auch beim Betretungsverbot für öffentliche Orte in Gruppen war die Stadt vorgeprescht. Der Vorstoß könnte andernorts Schule machen. So will etwa der Thüringer Landkreis Nordhausen ebenfalls das Tragen von Mund-Nasen-Schutz anordnen.