Klar kann man auf Teneriffa nur Strandurlaub machen, aber man sollte es nicht. Denn die Schönheit der Insel, vor allem im Norden, lässt sich nur beim Wandern erleben.

Michael Häbele lässt seinen Blick über die noch halbdunkle Insel streifen. Die Strahlen der Sonne, die ganz langsam über dem Horizont aufsteigt, tauchen sein Gesicht in warmes Licht, und der 40-Jährige lächelt zufrieden. Auf dem Kraterrand des Teide ist die Aussicht überwältigend. Mit 3718 Metern über Meereshöhe ist der Teide auf Teneriffa der dritthöchste Insel-Vulkan der Erde. Häbele ist mit einer Gruppe von 20 Wanderern um drei Uhr nachts von der Schutzhütte Altavista aus zu diesem durchaus anspruchsvollen Aufstieg auf den Teide aufgebrochen. Jene Tour wird auch beim Teneriffa-Walking-Festival angeboten, das in diesem Jahr zwischen dem 29. März und 2. April zum zweiten Mal auf der Kanareninsel stattfinden wird. Der Event soll nach dem Willen der Veranstalter vor allem Aktivurlauber in den sattgrünen Norden der Insel locken. Denn der wettermäßig wechselhafte Norden Teneriffas verliert gegenüber dem Süden seit Jahrzehnten Besucher. Inzwischen verbringt nur noch ein Viertel aller Besucher Teneriffas seinen Urlaub in der Region um Puerto de La Cruz und Santa Cruz. Denn der Süden bietet nicht nur mehr Sonne, sondern auch hochwertigere und modernere Hotels, neue Strandpromenaden und breite Strände - selbst wenn der Sand dafür aus Afrika stammt und aufgeschüttet wird.

 

In Teneriffas Norden hingegen ist der Renovierungsbedarf etlicher Hotelanlagen so hoch, dass dort Retro-Fans auf ihre Kosten kommen: Wer genau hinsieht, stößt in mancher Hotelhalle noch auf Original-Einrichtungsgegenstände aus den 1960er und 1970er Jahren. Der Sanierungsstau hat fatale Folgen für den Norden Teneriffas: In den ersten neun Monaten des Jahres 2015 zählten die Tourismusmanager gut 40 000 Übernachtungen weniger als 2014. Das ist ein Rückgang von stattlichen 6,4 Prozent - und das trotz der weiterhin politisch instabilen Lage in vielen nordafrikanischen Ländern, von der die Kanaren schon seit Jahren profitieren. Modernisierungen und überregionale Werbekampagnen sollen diesem Trend entgegenwirken. Zudem ist geplant, eine große Brachfläche im touristischen Hauptort des Nordens, Puerto de la Cruz, zu einem neuen Yacht- und Fischereihafen mit einer breiten Promenade inklusive Restaurants und Einkaufszentren auszubauen. Wann mit dem ehrgeizigen Projekt begonnen wird, steht derzeit allerdings noch nicht fest.

Das Teneriffa-Walking-Festival

Im Gegensatz dazu wurde das Teneriffa-Walking-Festival schnell realisiert. Bereits bei seiner ersten Auflage vor einem Jahr meldeten sich gut 700 Touristen für die insgesamt elf Touren an. Für einen Grundpreis von 20 Euro und zusätzlich 25 Euro pro Tour standen den Teilnehmern ein Guide für jeweils maximal 20 Wanderer und der Hin- und Rücktransport per Bus zur Verfügung. Aufgrund des unerwartet großen Erfolges wird das Festival mit einem Rahmenprogramm aus Musik, Vorträgen und Tapas-Verkostung auch in diesem Jahr wieder stattfinden. Auf einem Abschnitt der Uferpromenade von Puerto werden mit Informationsständen, Holzkohle-Grills, auf denen Muscheln mit einem Spritzer der traditionellen Mojo-Soße gebraten werden, und einem Ausschank lokaler Weine auch Nicht-Wanderer in das Festival einbezogen. Die Veranstalter geben sich viel Mühe mit den Routen. Sie bieten nicht nur die bei Outdoor-Profis längst bekannten Top-Wanderwege an, sondern auch Touren, die ansonsten aufgrund des unterschiedlichen Start- und Zielpunktes nur mit zwei Autos möglich wären.

Vor allem die selten begangenen, wurzelüberwachsenen Wege durch die oft leicht nebligen Lorbeerwälder im Nordosten der Insel werden all jene Gäste begeistern, die bisher nur den trockenen Süden Teneriffas kannten. Die Schroffheit des Anaga-Gebirges, gepaart mit einer urwaldähnlichen Vegetation, hätten viele von ihnen auf der Insel mit Sicherheit nicht erwartet. An der Küste geht das Gebirge in eine Steilküste über, die an manchen Tagen - mit leichtem Dunst - wie aus einer anderen Welt wirkt. Der faszinierendste aller Inselwanderwege ist aber noch immer der auf den Teide. Beim Aufstieg führt der Pfad durch die braunen und roten Schuttberge, die der Vulkan nach seinem letzten Ausbruch 1909 hinterlassen hat. Im Licht der Stirnlampen schimmert die scharfkantige, erkaltete Lava. Auf der Spitze des Vulkans zerrt der eiskalte Wind an den Jacken, bläst gnadenlos in jeden noch so kleinen Schlitz. Doch dann ist er da, dieser magische Moment: Wie in Zeitlupe taucht die Sonne langsam aus dem Meer auf, schickt die ersten wärmenden Strahlen auf den höchsten Punkt Spaniens. Es ist ein Erlebnis, das sich ins Gedächtnis einbrennt - und daran erinnert, dass Teneriffa nur als Badedestination eigentlich viel zu schade ist.