Die Spanier machen viele Dinge gerne etwas später am Tag als andere Europäer. So schlafen und so essen sie zum Beispiel spät. Eine Parlamentskommission will ihnen jetzt die Uhr eine Stunde zurückdrehen.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Madrid - Am Ende von Quentin Tarantinos „Jackie Brown“ erzählt Jackie ihrem Freund Max, dass sie vorhabe, nach Madrid zu gehen. Max ist sich nicht so sicher, ob das eine gute Idee sei. „Ich hab gehört, da gibt’s Abendessen erst um Mitternacht.“ Das ist natürlich schamlos übertrieben. Wahr ist, dass 22 Uhr in Spanien eine normale Zeit für das Abendessen ist und dass das Mittagessen irgendwann zwischen 14 und 16 Uhr eingenommen wird. Das sind für einen Mitteleuropäer ziemlich ungewöhnliche Zeiten. Die Unterkommission für die Untersuchung der Rationalisierung der Uhrzeiten des spanischen Parlaments teilt die Sicht der Ausländer. Und schlägt eine radikale Lösung vor: Sie will die spanischen Uhren um eine Stunde zurückdrehen.

 

Seit sich die Welt 1884 auf der Internationalen Meridiankonferenz in Washington darauf einigte, den Nullmeridian durch das Londoner Royal Greenwich Observatory verlaufen zu lassen, ist die Erde in 24 Zeitzonen aufgeteilt. Im Zentrum jeder Zeitzone steht die Sonne um 12 Uhr mittags in ihrem Zenit. Das Zentrum der Mitteleuropäischen Zeit (MEZ) liegt ungefähr an der deutsch-polnischen Grenze; je weiter man von dort Richtung Westen wandert, umso mehr ist die Sonne der Uhr hinterher. Schon in Frankreich klaffen Uhr- und Sonnenzeit deutlich auseinander. In Spanien noch viel mehr. Kein Wunder, dass man hier so spät isst. Man richtet sich, ohne es zu ahnen, nach der Sonne statt nach den Stundenzeigern.

Macht die Rückkehr zur GTM die Spanier produktiver?

Früher galt in Spanien, geografisch korrekt, die Greenwich Mean Time (GTM), dieselbe wie in Großbritannien, doch 1940 beschloss das damalige Franco-Regime, auf die MEZ umzuschalten – angeblich als Reverenz an Hitler-Deutschland. Seitdem geht die Sonne in Spanien spät auf und auch spät wieder unter, was besonders Urlaubern sehr entgegen kommt. Frühaufstehenden Arbeitern natürlich weniger.

Die Männer und Frauen der parlamentarischen Unterkommission für die Untersuchung der Rationalisierung der Uhrzeiten sind davon überzeugt, dass die Rückkehr zur GTM die Spanier produktiver machen würde. In Spanien zieht sich der Arbeitstag elend lange hin, was möglicherweise Folge des späten Mittagessens ist, nach dem es den Menschen schwer fällt, wieder in die Gänge zu kommen. Und auch das späte Abendessen hat seine Konsequenzen: Wenn die Studien zu diesem Thema stimmen, gehen die Spanier später ins Bett und schlafen weniger als andere Europäer. Die offene Frage ist, ob sich mit einem Dreh am Uhrzeiger daran etwas ändern würde. Ebenso gut könnten die Unternehmen ihre Mittagspausen vorverlegen. Und niemand müsste auf die wunderbare späte Abendsonne verzichten, die das Leben in Spanien so angenehm macht.