Im Fußball-Oberhaus jagt ein Spektakelt das nächste, im Schnitt fallen so viele Tore wie seit der Saison 1986/87 nicht mehr. Was sind die Gründe dafür?

Stuttgart - Der Abgesang auf die Fußball-Bundesliga ist noch gar nicht so lange her. Schlechte Spiele, wenig Tore, rückläufige Zuschauerzahlen, dazu die einschläfernde Dominanz des FC Bayern – viele Fans und Experten hatten keine allzu hohe Meinung mehr von der deutschen Eliteklasse. Noch im vergangenen Spätsommer war das, kurz vor dem Start in die 56. Saison und unter dem verstärkenden Eindruck einer verkorksten deutschen Weltmeisterschaft. Der deutsche Fußball und die Bundesliga kämpften mit einem echten Imageproblem.

 

Die Berichte über die siebte Bayern-Meisterschaft in Folge waren praktisch schon vorgeschrieben. Doch im Spätherbst ist plötzlich alles anders. Die Bundesliga erlebt einen neuen Frühling. Packende Spiele, Tore en masse, ein Alleingang an der Spitze droht im Moment allenfalls von Borussia Dortmund. Im Idealfall wächst sich der Kampf um den Titel 2019 zu einem echten Mehrkampf aus. Was ist innerhalb von zwölf Spieltagen bloß passiert?

Zunächst ein paar Zahlen. 31 Tore sind am zwölften Spieltag gefallen (das Sonntagabendspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Hannover 96 nicht eingerechnet), fast vier pro Spiel. In der gesamten Spielzeit klingelte es 343 mal, was einem Schnitt von 3,2 entspricht. Damit rangiert die Saison 2018/19 auf dem 20. Platz der torreichsten Spielzeiten seit 1963. So treffsicher erwies sich die Liga zuletzt 1986/87. Ganze fünf der bislang 107 absolvierten Begegnungen endeten torlos.

Motto: Attacke statt abwarten

Den größten Anteil an dieser Entwicklung haben die Ballermänner von Borussia Dortmund. Mit 35 erzielten Treffern führen sie die Bundesligatabelle nicht nur nach Punkten an. Zum Vergleich: Der VfB Stuttgart, in der vergangenen Endabrechnung immerhin Siebter, kam in der gesamten Saison 2017/18 auf nur einen Treffer mehr. Und steht mit gegenwärtig acht kümmerlichen Törchen nicht ohne Grund am Tabellenende.

Neben Dortmund performen auch die Offensivabteilungen von Eintracht Frankfurt, Borussia Mönchengladbach und der TSG Hoffenheim weit überdurchschnittlich. Und selbst notorische Biedermeier wie Hertha BSC und Fortuna Düsseldorf bieten ihren Fans zumindest hin und wieder Spektakel – so wie an diesem Spieltag, als beide einen 1:3-Rückstand noch aufholten.

Warum nur der VfB Stuttgart aus der Reihe tanzt

Dass Kommentatoren und Fans der Torschrei wieder häufiger von den Lippen kommt, hat nicht etwa mit hüftsteifen Abwehrspielern und sehschwachen Torhütern zu tun. Es ist vielmehr ein Produkt der eigenen Angriffsstärke. Wieder deutlich mehr Mannschaften in der Bundesliga wissen mit dem Ball etwas anzufangen. Ob nun mit klassischem Ballbesitzfußball, wie ihn etwa Borussia Mönchengladbach oder Werder Bremen zelebrieren, die das Spielgerät lange kontrolliert durch die eigenen Reihen laufen lassen, bis sich eine Lücke bietet. Oder im Stile von Hoffenheim, Leipzig und Frankfurt mit aggressivem Pressing-Fußball. Sie alle generieren außerordentlich viele Torabschlüsse. Effizienten Ergebnisfußball wie jener des VfB oder von Schalke 04 aus der Vorsaison sieht man bislang kaum. Und wenn, dann ist er nicht besondern erfolgreich. Siehe Schalke, siehe VfB.

Spieler wie Alcacer, Jovic und Plea halten die Tormaschinerie am Laufen

Das Hohelied vieler Trainer auf das Spiel gegen den Ball, auf kontrolliertes Umschaltspiel, es verstummt. Das Motto lautet „Attacke statt Abwarten“. „Die Bundesliga macht wieder richtig Spaß“, entfuhr es ausgerechnet Bayern-Präsident Uli Hoeneß nach der 2:3-Niederlage in Dortmund am elften Spieltag. „Dieses Spiel war Werbung für die Bundesliga.“

Tatsächlich werteten nicht wenige Experten die Begegnung als die beste, die seit Jahren im deutschen Oberhaus zu sehen war. Dass sich die deutschen Vertreter im Europapokal nicht mehr ständig in Bulgarien und Norwegen blamieren, passt ins Bild.

Die Bundesliga macht wieder Laune!

Nur, was sind die Gründe für diese kaum für möglich gehaltene Entwicklung? Eine taktische Kehrtwende der Trainer nach dem WM-Debakel wohl kaum. Schließlich stand Ballbesitz bei Bundestrainer Joachim Löw in Russland noch hoch im Kurs. Es sind wohl eher eine Reihe junger, hochveranlagter Kicker wie Dortmunds Paco Alcacer, Mönchengladbachs Alassane Plea oder Frankfurts Luka Jovic, an denen sich die Blutauffrischung der Bundesliga fest machen lässt. Allesamt schnell, technisch beschlagen und torgefährlich, halten sie die Tormaschinerien am Laufen. Und lassen das Herz vieler Fußballfans wieder höher schlagen.