Die Göppinger Kreiskliniken wollen sparen und setzen dabei auf Zeitarbeiter, die sie bei ihrer eigenen Tochterfirma leihen.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Für die einen ist es eine Flucht aus dem Tarif, für die anderen ist es die unvermeidbare Reaktion auf den zunehmenden wirtschaftlichen Druck im Krankenhauswesen. Göppingens kreiseigene Klinikengesellschaft möchte ihre Mitarbeiter aus den so genannten patientenferneren Bereichen künftig bei einer Tochterfirma beschäftigen.

 

Dazu hat der Aufsichtsrat des gemeinnützigen Unternehmens die Gründung einer Servicegesellschaft beschlossen. Bei ihr sollen das Reinigungspersonal sowie die Mitarbeiter der Wäscherei, der Küche, der Pforte, der Poststelle, der Telefonzentrale, des Archivs und der Bibliothek angestellt sein. Betroffen wären damit 300 der insgesamt 2600 Beschäftigten an den beiden Standorten, der Helfensteinklinik in Geislingen und der Klinik am Eichert in Göppingen. Allerdings soll dies nur für Neueinstellungen gelten. Für alle bisherigen Mitarbeiter werde sich nichts ändern.

Jährlicher Einspareffekt: 2,5 Millionen Euro

„Wir machen das nicht gerne, aber wir sehen uns zu dieser Maßnahme gezwungen“, sagte der kaufmännische Direktor Wolfgang Schmid vor dem Verwaltungsausschuss des Kreistags, der das Vorhaben gegen die Stimmen der SPD billigte. Der Verwaltungschef rechnet damit, dass durch die Neugründung bereits im ersten Jahr knapp 100 000 Euro eingespart werden können. Spätestens vom Jahr 2023 an werde sich die jährliche Einsparung auf 2,5 Millionen Euro belaufen. Dieser Beitrag sei notwendig, um das Defizit der Kliniken GmbH weiter zu reduzieren. Im vergangenen Jahr lag das Minus bei 3,9 Millionen Euro, in diesem Jahr soll es unter die Drei-Millionen-Marke sinken. Im Jahr 2015 hofft Schmid auf eine schwarze Null.

Künftig gilt der Zeitarbeitstarif

Den Vorwurf der Tarifflucht, den der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Feige erhob, wies Schmid zurück. „Es geht hier um einen Tarfiwechsel“, sagte der Verwaltungschef. Statt dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVÖD) wird die neue Servicegesellschaft denjenigen der Zeitarbeitsbranche anwenden. Der Stundenlohn für Neueinsteiger werde in der niedrigsten Lohngruppe 8,94 Euro betragen. Das seien sogar zehn Cent mehr als im TVÖD. Der Einspareffekt ergibt sich aus dem Wegfall verschiedener tariflicher Zusatzleistungen. So gibt es in der Zeitarbeitsbranche weniger Urlaubstage, ein geringeres Weihnachtsgeld, keine Höhergruppierung nach Beschäftigungsjahren und keine zusätzliche Alterssicherung. Letzteres wolle die Klinik durch einen Zuschuss zu einer Direktversicherung ausgleichen. „Es ist unsere Verantwortung als Arbeitgeber, keine Altersarmut zu produzieren“, sagte der geschäftsführende Direktor Jörg Martin.

Die Gewerkschaft Verdi kritisierte den Schritt. Die Kliniken schafften „Beschäftigte zweiter Klasse“, sagte die zuständige Gewerkschaftssekretärin Heidi Pfeiffer. Auch der Betriebsrat hatte sich intensiv darum bemüht, die Gründung der Servicegesellschaft zu verhindern. „Wir konnten aber nicht mehr erreichen“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Max Radloff.

In guter Gesellschaft

Warum behalte man die Kliniken in der eigenen Hand, wenn man sich dann doch gegenüber den Beschäftigten wie ein Privatunternehmer benehme, fragte der SPD-Kreisrat Sascha Binder. Allerdings weiß sich die Geschäftsführung auch unter den öffentlich-rechtlichen Kliniken in der Region in guter Gesellschaft. Die Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim, die mittlerweile zum großen Regionalen Klinikverbund gehören, haben schon vor acht Jahren ihren Reinigungsbereich in eine Service-GmbH ausgegliedert. Der Klinikverbund Südwest arbeitet sogar seit zehn Jahren mit einer Tochterfirma zusammen, die unter anderem das Essen für die Standorte in den Kreisen Böblingen und Calw herstellt. Die Kreiskliniken Esslingen haben ihre Reinigungsarbeiten an eine Privatfirma vergeben. Im Rems-Murr-Kreis soll die Wäscherei extern betrieben werden.

Von einem solchen Outsourcing lässt man im Kreis Göppingen aber die Finger. „Das wäre die denkbar schlechteste Lösung“, sagte der Freie-Wähler-Kreisrat und Bad Boller Bürgermeister Hans-Rudi Bührle. Oft ergibt sich dabei nämlich ein Qualitätsproblem. An den städtischen Kliniken in Esslingen wird die Vergabe der Sterilisation an ein Fremdunternehmen gerade rückgängig gemacht. Dort soll die Arbeit nun eine ebenfalls neugegründete Tochterfirma übernehmen.