Um die Haushaltslage zu stabilisieren, verschärft der Rems-Murr-Kreis sein Sparkonzept – und greift tief ins Leistungsangebot ein. Dabei ist die Finanzmisere keine selbstgemachte.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Die Mitglieder der Haushaltsstrukturkomission sind offenkundig zufrieden – aber: „Wir müssen jetzt kurzfristig und zielstrebig am Ball bleiben“, mahnt der CDU-Fraktionschef und Murrhardter Bürgermeister Armin Mössner im Verwaltungs-, Schul- und Kulturausschuss (VSKA) des Kreistags.

 

Anlass ist kein kleiner – sondern ein weiterer tiefer Einschnitt in den Haushalt des Rems-Murr-Kreises. Das bereits beschlossene Sparpaket von 22,3 Millionen Euro aus dem Vorjahr soll nun um weitere Maßnahmen ergänzt werden. Das Ziel: zehn Millionen Euro zusätzliche Einsparung für das Haushaltsjahr 2026.

Rems-Murr-Kreis: Finanzen in Schräglage

Die Richtung ist klar: Konsolidieren, was zu konsolidieren ist – und das möglichst ohne die kommunalen Strukturen zu beschädigen. „Haushaltskonsolidierung ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, betont der Landrat Richard Sigel. Und doch scheint es, als ob in diesem Marathon gerade die am härtesten laufen müssen, die ohnehin schon schwer tragen müssen: Jugendhilfe, Soziales, Bildung.

„Die Hauptursache für die Schräglage der Kreisfinanzen liegt darin, dass die gesetzlichen Pflichtaufgaben der Landkreise beständig ausgeweitet wurden, ohne dass es dafür einen auch nur annähernd ausreichenden finanziellen Ausgleich gegeben hätte“, erklärt Sigel. Was auf Bundes- und Landesebene beschlossen wird, muss vor Ort finanziert werden – und das ohne Rücksicht auf die klammen Kassen der Landkreise.

„Die mangelnde Konnexität ist der Schlüssel des Problems“, sagt der Backnanger Oberbürgermeister und Freie-Wähler-Kreisrat Maximilian Friedrich. Foto: Gottfried Stoppel

Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich (Freie Wähler) bringt es auf den Punkt: „Die mangelnde Konnexität ist der Schlüssel des Problems.“ Die Diskrepanz zwischen Aufgabenfülle und Finanzkraft der Kommunen sei längst chronisch.

Sparmaßnahmen im Rems-Murr-Kreis: Soziale Leistungen betroffen

Die selbst auferlegte Maßnahmenliste ist lang und hart. Bereits beschlossen: Die Einführung einer Ehrenamtskarte – gestrichen. Der Klimamobilitätsplan – beendet. Keine höheren Standards für Tageseltern, keine weiteren Mittel für X-Buslinien. Auch der Zuschuss zur Pflegeausbildung fällt – 143 000 Euro gespart. Die Außenstelle des Kreismedienzentrums in Backnang soll geschlossen, Eltern an den Schülerbeförderungskosten beteiligt, der Obstbau künftig mit reduzierter kreislicher Beratung organisiert werden.

Im Bereich Flüchtlingsunterkünfte plant der Kreis eine Fehlbelegungsabgabe. Bis zu eine Million Euro sollen damit eingespart werden. Ebenso steht eine Reduktion der Winterdienststandards zur Debatte. Zusammen addieren sich diese Einzelmaßnahmen zu einer Einsparsumme von rund 6,7 Millionen Euro im Jahr 2026 und jeweils 7,1 Millionen in den beiden Folgejahren.

Klinikfinanzierung im Rems-Murr-Kreis: Defizit drängt zur Sparmaßnahme

Ein besonders gewichtiger Posten bleibt die Klinikfinanzierung: Über 30 Millionen Euro jährlich kostet das Defizit der Rems-Murr-Kliniken den Kreis – ein Dauerbrenner im Defizitfeuer. Laut Verwaltung soll hier 2025 ein Konsolidierungsbeitrag von mindestens sieben Millionen Euro kommen – ohne Personalabbau, aber mit weniger Leiharbeit und effizienteren Abläufen.

Digitalisierung, ja – neue Stellen, nein

Um langfristig effizienter zu arbeiten, setzt der Kreis auf Digitalisierung und Prozessautomatisierung. Beispielhaft nennt die Verwaltung die Fallbearbeitung im Ausländeramt, wo ein Software-Roboter inzwischen Zuweisungslisten automatisiert abarbeitet – und 3500 Arbeitsstunden jährlich spart. Gleichzeitig gilt eine Neueinstellungssperre: 2026 sollen keine neuen Stellen mehr geschaffen werden, so der Plan – wenn es denn die Aufgabenflut erlaubt.

Allein wird der Kreis die finanzielle Schieflage aber nicht korrigieren können. „Wir können nicht alle Probleme allein lösen“, sagt Armin Mössner. Und auch wenn Maximilian Friedrich lobt, dass der Kreis vorbildlich „für die große Politik mit gutem Beispiel voran“ gehe, klingen seine Worte wie ein letzter Appell: Ohne eine ernsthafte Beteiligung des Bundes und des Landes am „Zukunftspakt für Kommunen“, wie es im Koalitionsvertrag versprochen wird, droht der Marathon in einem Dauerlauf ins Aus zu enden.