Die Österreichische Bundesbahn könnte einen Teil des Angebots in Deutschland übernehmen. Für die Nachbarn wäre die Übernahme der DB-Nachtzug­linien eine Chance, weiter auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Deutsche Bahn, die wie berichtet ihre Nacht- und Autozüge schon zum Fahrplanwechsel in einem Jahr komplett streichen will, verhandelt nach Informationen der Stuttgarter Zeitung über eine Fortführung der Angebote durch die Österreichische Bundesbahn (ÖBB). Die Bahn-Spitze räumt in internen Unterlagen selbst offen ein, dass die Qualität der Angebote „nicht zufriedenstellend“ sei. Kritiker wie Matthias Gastel, der Bahnsprecher der Grünen im Deutschen Bundestag, führen das vor allem auf die viele Jahre unterlassenen Modernisierungen zurück. Die DB-Manager und ihre Berater von McKinsey dagegen behaupten, die Nachtzüge seien „trotz vielfacher Sanierungsbemühungen stark defizitär“ und eine „Modernisierung auf gutes Qualitätsniveau wirtschaftlich nicht abbildbar“.

 

Im Nachbarland sieht man das ganz anders. „Wir halten an unseren Nachtzügen fest und sind zufrieden mit der Entwicklung“, sagte Michael Braun, Sprecher der ÖBB Holding AG in Wien, der Stuttgarter Zeitung. Nachtzüge seien zwar ein Nischenprodukt, aber für manche Kunden wichtig. Fragen zu den Gesprächen mit der DB lässt Braun unbeantwortet. Für die Österreicher wäre die Übernahme der DB-Nachtzuglinien eine Chance, weiter auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Mit den Nachtreisezügen Wien–Hamburg und Wien– Düsseldorf betreibt die ÖBB bereits zwei länderübergreifende Linien. „Seit Kurzem bieten wir auch die Möglichkeit, beim Nachtzug Wien–Düsseldorf den Pkw mitzunehmen“, ergänzt Braun. Auch hier nutzt die ÖBB die immer größeren Lücken im Angebot der Deutschen Bahn.

Der Rückzug der Bahn stößt auf massive Kritik

Der beabsichtigte Rückzug der Deutschen Bahn stößt unterdessen auf massive Kritik. „Nachtbus und Nacht-ICEs sind aus Kundensicht nicht attraktiv“, sagte Gastel der StZ über die Alternativen, die die Bahn ihren Kunden ab Dezember 2016 anbieten will. Der Abgeordnete aus Filderstadt fährt selbst häufig Nachtzug. „Die Fahrgäste wollen morgens ausgeruht ans Ziel kommen, durch die Umstellung würde die DB den Airlines neue Kunden in die Arme treiben.“

Der DB-Aufsichtsrat soll am 16. Dezember über die Ausstiegspläne beraten. Die Zukunft der Nachtzüge ist politisch heftig umstritten. Die Opposition im Bundestag fordert von der Regierung bislang vergeblich, ihren Einfluss auf den Staatskonzern zu nutzen. Vorigen Mittwoch wurde der neue Bahn-Verkehrsvorstand Berthold Huber bereits zum zweiten Mal in den Verkehrsausschuss des Parlaments bestellt, seine Aussagen seien aber erneut vage und unscharf gewesen, berichten Teilnehmer.

Die Sparte schreibe seit Jahren Millionenverluste

Sehr konkret dagegen sind die DB-Sparpläne in den vertraulichen Unterlagen für die Aufsichtsräte dargestellt. Demnach sind bereits „ab Mitte 2016 keine weiteren Ansätze für Nachtreiseverkehre“ in der Mittelfristplanung enthalten. Umfangreiche Investitionen in den „teilweise überalterten Fahrzeugpark“ ließen sich „wirtschaftlich nicht rechtfertigen“. Die Sparte schreibe „seit Jahren Verluste in zweistelliger Millionenhöhe“ und stehe zudem durch Nachtbus- und Billigflugangebote „stark unter Druck“. Neben vielen Nachtzügen hat die Bahn bereits fast alle Autozüge aus den Fahrplänen gestrichen. Die Huckepack-Züge fuhren jahrzehntelang zum Beispiel nach Italien, Frankreich und in die Schweiz und sind besonders bei älteren Urlaubern und Motorradfahrern beliebt, die stressfrei in die Berge oder ans Meer reisen wollen. Die letzten Züge sollen ebenfalls Ende 2016 aufs Abstellgleis rollen.

Trotz vernachlässigter Modernisierungen sind aber besonders die Nachzüge noch immer gut gebucht, und die Nachfrage sei stabil. Wörtlich musste das so sogar der mittlerweile geschasste zuständige DB-Vorstand Ulrich Homburg noch Anfang des Jahres im Verkehrsausschuss des Bundestages einräumen. Zuvor hatte der Konzern den Eindruck vermittelt, die Fahrgastzahlen würden sinken.