Weltweit agieren die Greeter, die ehrenamtlichen Stadtführer. Volker Karcher zeigt einem Kollegen aus Australien seine Stadt und die Gäste sind beeindruckt von den vielen Bäumen in der City.
Stuttgart - Wir wollen Stuttgart mit den Augen eines Einheimischen sehen“, das war der Wunsch von Peter und Kaye Francis aus Brisbane. Dank der Greeters-Community, die weltweit aktiv ist, hat dies Volker Karcher möglich gemacht und den Gästen aus Australien seine Heimatstadt bei einem langen Spaziergang nähergebracht. Greeter sind ehrenamtliche Stadtführer, die kostenlose Touren für Touristen anbieten. Volker Karcher ist so ein Hobby-Fremdenführer mit Leib und Seele. Er und das reiselustige Ehepaar kannten sich zuvor nur durch das Internet. „Ich suche in jedem Land und in jeder Stadt nach den Greeters“, sagt Peter Francis.
Einheimische führen zu den besonderen Ecken
Er selbst ist einer in seiner Heimatstadt Brisbane. Dort sind die Stadtführungen durch Einheimische weit mehr verbreitet als hierzulande. „Wir haben die ganze Woche über um 10 Uhr morgens beim Rathaus unseren Treffpunkt“, berichtet der ehemalige Forstmanager, der jetzt im Ruhestand ist und mit Ehefrau Kaye die Welt bereist. Täglich warten in Brisbane zwei der insgesamt 100 ehrenamtlich tätigen Greeters auf die Gäste aus aller Welt, um sie zu den besonderen Ecken in der Stadt zu führen. „Wir haben viele Rucksacktouristen, aber auch ältere Leute“, berichtet er.
Stuttgart sollte mehr Greeeter haben
Volker Karcher lotste schon Reisende aus den USA und aus Afrika durch die Landeshauptstadt, wird aber auch häufig von Stuttgartern angefordert. „Es gibt Leute, die leben schon lange hier und wissen wenig über die Stadt.“ Gerade sechs Greeter gibt es hier. „Wir sollten mehr haben“, findet Karcher, der unermüdlich an seinen unterschiedlichen Programmen für die einzelnen Stadtteile arbeitet. Dem ehemaligen Unternehmensberater macht das Spaß. „So erfahre auch ich etwas von den Gästen. Zum Beispiel über Brisbane“, sagt er schmunzeln.
Sektfrühstück im Schlossgarten
Karcher passt sein Programm individuell an: Dem australischen Paar verschaffte er den Überblick vom Turm der Musikhochschule aus, und dann aus der entgegengesetzten Richtung vom obersten Stockwerk des Glaswürfels am Schlossplatz. Zum Schluss kam, nach einer Fahrt mit der Zacke zum Haigst, der Rundblick auf „unsere gute Stube“, wie Karcher die Innenstadt gerne nennt.
Den Start am Denkmal von Fürst Eberhard I. im Oberen Schlossgarten inszenierte Greeter Karcher als Knüller: Aus seinem handlichen Rucksack zauberte er Sektgläser und Brezeln, denn Eberhard I. ist im übertragenen Sinne der Erfinder des schwäbischen Nationalgebäcks. Das hatten die Australier zwar schon gekostet, aber vom mitgebrachten Sekt in Dosen war vor allem Kaye Francis hingerissen: „Das habe ich noch nie gesehen! I love champagne.“ Beeindruckt waren die beiden vom vielen Grün in der Stadt: Die Kastanienbäume haben es ihnen besonders angetan. Beim Gang durch die Außenanlage der Staatsgalerie muss Peter Francis gleich mehrfach über den Travertin streichen, so wunderschön sei dieser Stein, schwärmt er. Mit der Geschichte Europas hatte er sich vor der dreimonatigen Reise beschäftigt: „Haben die Römer den Wein nach Stuttgart gebracht?“
Exotik finden die Australier am Neckar
Und dann die Radfahrer – weniger diejenigen in der Stadt, sondern jene, die die Australier auf ihren Touren am Neckar entlang gesichtet haben. „Mit Gepäck! Ist das hier eine Art zu reisen?“, fragt sich Kaye. Für die beiden ist es dagegen ganz selbstverständlich, dass sie ihre Reisen über einen Wohnungstausch – den internationalen Home Exchange – günstig finanzieren. Sie hätten damit bislang nur gute Erfahrungen gemacht, betont Peter Francis. Und wenn sie demnächst über Paris zurück reisen in den australischen Winter, wird ihre Wohnung gerade wieder frei sein. Die Menschen, denen sie ihre vier Wände während ihrer dreimonatigen Abwesenheit anvertrauten, kennen sie nur durch die E-Mails, die sie sich gegenseitig geschickt hatten. Zuhause in Brisbane werden sie jedoch nicht lange bleiben, denn Peter Francis organisiert Ski-Events in den australischen Alpen von Viktoria. Eine willkommene Abkühlung, denn die letzte Hitzeperiode, die sie hier miterlebten, war selbst ihnen von der stets sonnigen australischen Golden Coast zu viel.