Hier der linke Flügel in der eigenen Partei, dort die Unternehmer: SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel muss ganz verschiedene Interessen gleichzeitig bedienen.

Belgrad - In einem Nebenraum des serbischen Präsidentenpalasts sitzt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit 20 deutschen Unternehmern zusammen. Der Politiker aus Deutschland will von ihnen wissen, welche Erfahrungen sie in Serbien gemacht haben. Bevor eine Wirtschaftskonferenz auf Einladung des serbischen Ministerpräsidenten Aleksandar Vucic beginnt, nutzt Gabriel die Gelegenheit zum Austausch. Der Wirtschaftsminister hört aufmerksam zu und fragt mehrfach nach, wo den deutschen Mittelständler in Serbien der Schuh drückt. Gabriel stellt sich schnell auf seine Gesprächspartner ein. Dass er keine Fensterreden hält, sondern am offenen Dialog interessiert ist, kommt bei den Unternehmern an.

 

Es ist eine der vielen Rollen, die Gabriel beherrscht. Als Wirtschaftsminister soll er den deutschen Unternehmen helfen, Auslandsmärkte zu erobern. Ginge es nach der Wirtschaft, müsste Gabriel noch viel häufiger mit Delegationen ins Ausland reisen. Immerhin hat er sich in seinem engen Terminkalender knapp eine Woche freigeschaufelt. 24 Stunden bleibt er in Serbien, dann geht es zurück nach Berlin und am nächsten Tag weiter nach Vietnam. Bis zum Ende der Woche führt er eine 30-köpfige Unternehmerdelegation nach Asien.

Weicht der SPD-Chef vom Klimaziel 40 Prozent ab?

Aus Sicht des SPD-Chefs gäbe es sicherlich bessere Termine für eine längere Asien-Reise. Denn in Berlin hat sich einiges aufgestaut. Die SPD-Linke ist unzufrieden mit Gabriels Kurs. Nach deren Meinung steuert der Parteichef bei den geplanten Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA einen zu pragmatischen Kurs. Insbesondere die Ankündigung Gabriels, dass beim vorgesehenen Freihandelsabkommen mit Kanada kein Weg an Schiedsgerichten vorbei führt, hat zu Unruhe geführt. Eine schwere Kost war für den linken Parteiflügel auch Gabriels „Basta“ beim Thema Vermögensteuer.

Seit dem Wochenende tobt zudem die Diskussion, ob Gabriel vom Ziel abrückt, bis zum Beginn des nächsten Jahrzehnts 40 Prozent der Treibhausgasemissionen einzusparen. Kurz vor dem Abflug nach Serbien hat Gabriel noch einmal versichert, das Klimaziel werde gehalten. Allerdings will er dafür nicht Kohlekraftwerke abschalten. Nach dem Ausstieg aus der Atomkraft könne sich Deutschland nicht auch noch von der Stromerzeugung aus Kohle verabschieden, lautet Gabriels Überzeugung. Eine weitere Erhöhung der Strompreise will er auf jeden Fall verhindern.

Hört Gabriel zu sehr auf die Gewerkschaften?

Das sind Signale, dass Gabriel in seiner Rolle als Wirtschaftsminister angekommen ist. Für einen SPD-Chef ist es ein Balanceakt. Während der Reise lässt er sich in kurzen Pausen immer wieder über den Stand der Debatte in Deutschland informieren. Zur Innenpolitik äußert er sich in Serbien nicht. Die Manager und Unternehmer sind mit den Ansagen des Wirtschaftsministers zufrieden. Dass sich der Vizekanzler beim Freihandelsabkommen und der Energiepolitik klarer positioniert, begrüßen die Wirtschaftsleute. Doch so ganz trauen sie Gabriel noch nicht. Immer wieder ist zu hören, Gabriel höre zu sehr auf die Gewerkschaften. Als er in seinem Ministerium einen Beirat für das Freihandelsabkommen einrichtete, wurden auch mehrere Gewerkschaftsführer eingeladen. Das führt in den Unternehmen, die den Wirtschaftsminister als ihren Sachwalter sehen, zu Argwohn.

Das Freihandelsabkommen zeigt, wie stark der Druck auf Gabriel wird. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Kanzlerin macht bei jeder Gelegenheit deutlich, wie wichtig der Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen für Deutschland ist. Auch Gabriel ist der Überzeugung, dass diese Abkommen für ein Exportland wie Deutschland wichtig sind. Er muss dabei aber auf seine Partei Rücksicht nehmen. Der Minister will erreichen, dass offener über die Verhandlungen informiert wird. Auch beim Investorenschutz will er noch einige Abschwächungen erreichen.

Bisher hat sich die SPD unter Gabriels Führung in der großen Koalition als verlässlicher und disziplinierter Partner gezeigt. Das soll auch so bleiben. Die Unzufriedenheit der SPD-Linken wischt er mit einer Handbewegung zur Seite. Dass ihm die Linken ernsthaft Probleme bereiten könnten, weist er von sich. So wie die Kanzlerin öfters Kritik aus dem CDU-Wirtschaftsflügel aushalten müsse, ergehe es ihm mit der SPD-Linken. Gabriel will sich nicht dabei aufhalten lassen, die SPD wieder stärker in die Mitte zu rücken.