Beim dritten Herbstempfang der SPD spricht Evelyne Gebhardt, die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, über das Verhältnis von Europa und den Kommunen.

Stuttgart-Stammheim - Sie treibt noch ihr Unwesen, die Geschichte mit der Gurke. „Das ärgert mich“, sagte Evelyne Gebhardt. Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments war Gastrednerin des 3. Herbstempfangs der SPD Stammheim in der Schloss-Scheuer, zu der Ortsvereinsvorsitzende und Betreuungsstadträtin Judith Vowinkel geladen hatte. Und in ihrem Vortrag „Europa – was geht mich das an? – Europäischer Einfluss in die Arbeit der Kommunen!“ räumte sie mit Mythen über die Europäische Union auf.

 

Wie eben die Größe und Form der Salatgurke, die scheinbar die EU ihren Mitgliedstaaten vorschreibe. „Das Gesetz wurde im Jahr 1923 in Deutschland gemacht“, so Gebhardt. Weil in den Gurken-Fünfer-Packungen wegen der Krümmung oft nur vier Stück gewesen seien. Auf EU-Ebene habe man das in den 60ern übernommen, indes nur in Form von Handelsklassen. „Da ging es aber nur um Verpackungen, nicht um Qualität“, erklärte Gebhardt. Der Handel habe dann aus A die beste Klasse gemacht, obwohl die anderen genauso gut waren, nur anders aussahen. „Dass diese Handelsklassen vor drei Jahren abgeschafft wurden, ist manchen unbekannt. Abgesehen davon, dass wir das nie vorgeschrieben hatten.“

Evelyne Gebhardt sitzt seit 1994 im EU-Parlament

Unter den Beispielen, die sie aufzählte, war auch jenes der Kreisverkehre. Ein Thema, das vor drei Jahren gerade in Baden-Württemberg in so manchen Landkreisen für Unmut bei den Bürgern und Wut auf die EU sorgte. So besagt die EU-Richtlinie zum Kreisverkehr, dass diese frei einsehbar sein müssen. Dazu muss man zunächst wissen, was der Unterschied zwischen einer EU-Richtlinie und einer EU-Verordnung ist. Während Verordnungen sogenannte Rechtsakte sind, die verbindlich sind und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten, verpflichten Richtlinien die EU-Mitglieder bestimmte Ziele umzusetzen, also indem sie ein nationales Gesetz dazu erlassen. Sprich, wie sie die Ziele umsetzen, das wird den Staaten überlassen. Die Richtlinie für den Kreisverkehr, so erklärte Gebhardt, betreffe lediglich die Europa-Straßen. Das sind jene internationalen Fernverkehrs-Strecken, die Länder Europas verbinden. „Da fährt man in der Regel schneller, deswegen braucht es freie Sicht“, so die gebürtige Französin, die seit 1994 Jahren im EU-Parlament sitzt. „Und was macht Baden-Württemberg aus dieser Richtlinie? Die Regierung erlässt ein Gesetz, das für alle auch jede noch so kleine Straße gilt – und damit auch für jeden kleinen Kreisel. Da wurden dann Kunstwerke entfernt oder Bäume abgeholzt, was überhaupt nicht nötig war.“ Den Bürgern werde dann erklärt, die EU wolle es so, sie sei schuld, so die Politikerin. Das sei der Grund, warum manche so ein schlechtes, aber falsches Bild von einer Institution haben, die dafür sorge, dass die Waffen schweigen. „Über 70 Jahre Frieden haben wir nun, das war vorher in Europa nicht der Fall.“

Eine Spendenbox für europäische Jugendarbeit

Anhand des Brexits und Kataloniens Abspaltungsbestrebungen verdeutlichte Gebhardt, wie gefährlich die Nationalismen seien, die derzeit aufbrandeten. „Wir können nur gemeinsam die Probleme lösen. Die Briten spüren schon jetzt die Folgen, die Preise steigen. Die Jungen wollten das nicht, sie schätzen die Reise- und Niederlassungsfreiheit, aber nur 30 Prozent gingen leider zur Wahl.“ Insofern sei der Brexit auch die Chance, Visionen zu entwickeln, was für ein Europa man gemeinsam in Zukunft haben wolle.

Bei der SPD Stammheim fing man beim Herbstempfang damit an. Während das Duo Aire Latino unter anderem Tangos intonierte, wurde eine Spendenbox für europäische Jugendarbeit im Jugendhaus aufgestellt. „Mir war es wichtig nach dieser Wahl die Bedeutung Europas anzusprechen und einige Dinge klarzustellen“, so die Ortsvorsitzende Vowinkel. „Es kommt immer darauf an, was die Länder aus den gemeinsamen EU-Zielen machen.“