Auf Tour mit Thorsten Majer, dem Bundestagskandidaten der SPD, der zum dritten Mal um ein Mandat kämpft. Er tritt im Wahlkreis Neckar-Zaber gegen den CDU-Mann Eberhard Gienger an.

Bietigheim - Punkt 19.30 Uhr im Bierzelt, Auftakt des Bietigheimer Pferdemarkts. Es ist der vierte und letzte Wahlkampftermin des SPD-Bundestagskandidaten Thorsten Majer an diesem Tag. Bier geschwängerte Luft schlägt ihm und seiner Frau Tanja entgegen. Der Bietigheimer Oberbürgermeister Jürgen Kessing, ein Parteigenosse, kämpft sich durch die johlende Menge auf die Bühne, um das Fest offiziell zu eröffnen und die Kandidaten zu begrüßen. Majer ist zur Stunde der einzige, der sich hier sehen lässt. „Auf Feste legen wir dieses Mal nicht so viel Wert, aber der Pferdemarkt ist eine Ausnahme“, sagt der 35-jährige Ludwigsburger Kreisvorsitzende und nutzt die Gelegenheit, ein paar Worte mit Gerhard Kaufmann zu wechseln, der sich, wie es heutzutage so Sitte ist, mit bayerischer Tracht verkleidet hat.

 

Acht Stunden zuvor. Kaufmann, Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensgruppe Winkels, begrüßt – natürlich nicht in Tracht, sondern im dunklen Anzug – die kleine SPD-Delegation am Firmensitz, dem Zentrallager Eichwald bei Sachsenheim. Gerne empfängt die Geschäftsleitung Staatssekretär Ingo Rust aus dem Finanz- und Wirtschaftsministerium, der an diesem Vormittag Wahlkampfhilfe für den Genossen Majer leistet. Nach einem gemeinsamen Termin am Morgen mit dem Sachsenheimer Bürgermeister Horst Fiedler zum Thema Stadtsanierung demonstrieren die Genossen nun also Aufgeschlossenheit für Belange der Industrie.

In Sachen Leiharbeit bleibt der Kandidat hartnäckig

Im Konferenzraum diskutieren die Herren über die Auswirkungen der Verpackungsverordnung, die dem Getränke-Logistiker zu schaffen machen. „Ist Leiharbeit für Sie ein Thema?“, wirft Majer in die muntere Plauderei. Ja, sagt Kaufmann, die Sortieranlage habe man „outgesourct“. Und rechtfertigt sich. Die Ungarn machten den Job, den kein Deutscher machen wolle. Der SPD-Kandidat und Jurist will Kante zeigen und bleibt hart: „Auf Dauer kann das keine Lösung sein, es muss soziale Mindeststandards geben.“

Zum dritten Mal tritt der Ingersheimer an, das Bundestagsmandat für den Wahlkreis Zaber-Neckar zu erringen. In den Jahren 2005 und 2009 musste sich Majer dem erfolgreichen ehemaligen Turner und CDU-Kandidaten Eberhard Gienger geschlagen geben. Gienger ist mit einem Erststimmenergebnis von 42 Prozent bei der letzten Bundestagswahl (CDU-Zweitstimmen: 33 Prozent) praktisch uneinholbar Stimmenkönig im Wahlkreis. Staatssekretär Rust aber erinnert an das Jahr 1998, als Hans Martin Bury – eine kleine Sensation – direkt gewählt für die SPD in den Bundestag einzog. Rust war damals Burys Wahlkampfleiter, und er gibt sich auch heute optimistisch: „Wir wollen keine Umfragen gewinnen, sondern Wahlen“, sagt er. Die Wahl 2009 brachte den Genossen bei den Zweitstimmen im Land ein Minus von 10,8 Prozent gegenüber 2005 ein. Majers Verluste im Wahlkreis lagen im Trend: minus 10,7 Prozent bei den Erst- und minus 11,9 Prozent bei den Zweitstimmen.

Thorsten Majers Listenplatz ist nicht gerade vielversprechend

Nicht besser sieht es mit Majers Listenplatz aus. 15 SPD-Kandidaten im Land kamen bei der Bundestagswahl 2009 durch. Im Kampf um eine aussichtsreiche Position war der Ludwigsburger Kreisvorsitzende im März gegen seinen Stellvertreter Macit Karaahmetoglu aus Ditzingen angetreten. Karaahmetoglu kam am Ende auf Platz 21, Majer musste sich mit Platz 27 begnügen. Das Verhalten des Ingersheimers sorgte für Unmut, sogar Rücktrittsforderungen wurden laut.

In den Ortsverbänden aber scheint der junge Mann, der auch im Gemeinderat aktiv ist, Respekt zu genießen. Neun Genossen stehen am Nachmittag vor dem Güglinger Rathaus bereit, als der Kandidat mit Wahlkampfleiter Max Träger, einem Medizinstudenten in den Semesterferien, im weißen Volvo mit der Aufschrift „Thorsten Majer. Vertrauen“ vorfährt. Das SPD-Logo ist zwar in Rot, aber ganz klein daneben gedruckt.

Majer setzt in diesem Wahlkampf auf Hausbesuche. Er selbst und die Wahlhelfer verteilen Karten an die Wähler, die mit dem Konterfei des Kandidaten und dem Titel „Meine beste Idee“ bedruckt sind. „Geben Sie mir, Ihrem Bundestagskandidaten, mit dieser Karte Ihre beste Idee mit auf den Weg nach Berlin“, schreibt Majer, und unterzeichnet „Herzlichst“. Kurz instruiert er die Helfer, Max Träger verteilt die Einsatzpläne. Majer ist für ein Neubaugebiet eingeteilt. Reihen-, Mehrfamilien- und Einfamilienhäuser mit gepflegten Gärten, CDU- oder FDP-Klientel eigentlich.

An diesem Nachmittag sind die Reaktionen überwiegend positiv

Der groß gewachsene, schlanke Kandidat geht von Tür zu Tür: „Guten Tag, Thorsten Majer mein Name, ich bin Ihr Bundestagskandidat und wollte mich kurz persönlich vorstellen. Es würde mich freuen, wenn Sie diese Ideenkarte hier nutzen würden.“ Die Reaktionen sind an diesem Nachmittag positiv. Nur einer winkt mürrisch ab und schlägt die Tür zu. Majers seriöses und zugleich zurückhaltendes Auftreten macht offenbar Eindruck. „Vielen Dank und viel Glück“, rufen ihm einige hinterher.

Die Gruppe trifft sich zwei Stunden später vor dem Rathaus. Majers Ehefrau Tanja und Max Tröger bieten Wurst im Weck an, es gibt Bier, Saft und Wasser für die Helfer und ein älteres Güglinger Paar, das der Einladung zum „Roten Grill“ gefolgt ist. „Jetzt wird die Wurst aber schwarz, Herr Majer“, sagt der Mann und grinst. „Hauptsache, sie ist innen rot“, entgegnet Roderich Vogelmann, der Ortsverband-Vorsitzende Oberes Zabergäu.

Seit Mai haben Majer und seine Unterstützer 12 000 Karten im Wahlkreis Neckar-Zaber verteilt, bis zum 22. September wollen sie auf 20 000 Kontakte kommen. Und der Rücklauf? Fast 200 Antworten habe er bereits bekommen, sagt Majer, Themen rund um Arbeit und Rente dominierten, es folgten Bildung, Energie und Gesundheit. Rund 250 Kilometer hat Thorsten Majer an diesem Zehn-Stunden-Wahlkampftag zurückgelegt. 25 000 Euro beträgt das Wahlkampfbudget, „Umsatzeinbußen in der Kanzlei rechne ich lieber nicht hoch“, sagt der Anwalt. Und wofür das alles? Kämpft er nicht auf verlorenem Posten? „Mein Ziel liegt bei mindestens fünf Prozent über dem Zweitstimmenergebnis“, gibt sich Majer optimistisch. Und wo sieht er seine Partei? „Ein Ergebnis mit einer Drei vorne ist noch möglich.“ Dann müssten die Genossen mindestens sieben Prozent zulegen.