Der Merkel-Herausforderer Peer Steinbrück legt seine Honorare aus den vergangenen Jahren offen und wirft Schwarz-Gelb eine Intransparenz vor.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Vielleicht wechselt der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ein paar Mal öfter zwischen Stand- und Spielbein hin und her als sonst bei öffentlichen Auftritten. Davon abgesehen ist ihm bei seiner Pressekonferenz in  Berlin keine Nervosität anzumerken. Ernst, konzentriert und diszipliniert erläutert er, wann, wo und für wie viel Geld er seit seinem Abschied als Bundesfinanzminister Vorträge gehalten hat. Allenfalls an dem, was fehlt, lässt sich ablesen, wie ernst er die Transparenzoffensive in eigener Sache nimmt: Der Angriffslust, die der Kanzlerinnen-Herausforderer sonst pflegt, gewährt er gar keinen Raum.

 

Er habe Verständnis dafür, dass viele Menschen von ihm als Kanzlerkandidaten mehr Informationen über Nebeneinkünfte erwarteten, als es die gültigen Offenlegungspflichten verlangten, schickt Steinbrück demütig voraus. Dann rattert er minutiös herunter, was ein Wirtschaftsprüfer anhand seiner Unterlagen – Minicomputer, Terminkalender, Abrechnungen und Steuerunterlagen – zusammengestellt hat.

Seit dem Regierungswechsel 2009 hat Steinbrück 89 Vorträge gegen Honorar gehalten. So kamen 2009 (mit sechs Vorträgen) 90 000 Euro in seine Kasse, 2010 (mit 41 Vorträgen) waren es 551 722,69 Euro, 2011 summierten 32 Vorträge sich zu 460 100 Euro auf, im laufenden Jahr kamen bei zehn Vorträgen noch einmal 150 000 Euro hinzu. Dass sich dies alles auf insgesamt 1,25 Millionen Euro aufaddiert, die mit einem Grenzsteuersatz von etwa 48 Prozent versteuert wurden, haben Steinbrück oder sein Umfeld tags zuvor schon der „Bild“-Zeitung gesteckt. Jetzt testiert ihm sein Wirtschaftsprüfer, dass er den Transparenzregeln des Bundestags – abgesehen von zwei Ausnahmen – ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Ein Problem für seinen Wahlkampf sieht Steinbrück nicht

Die beiden Vorträge bei der Kerkhoff Consulting in Meerbusch (8000 Euro) und bei der Südwestbank in Stuttgart (15 000 Euro) seien ihm durchgerutscht, bekennt Steinbrück. Aus „Nachlässigkeit – ich habe es einfach verschwitzt“. Von diesem Detail abgesehen, belegt die Liste der Nebentätigkeiten, die Steinbrück auf der Bundestags-Website ins Internet gestellt hat, dass er vor allem bei Banken, Unternehmensberatern, Finanzdienstleistern ein gefragter Redner ist. Vielleicht müssen sich in der Folge dieser Liste die Stadtwerke Bochum die Frage gefallen lassen, warum ihnen der Genosse Steinbrück ein Spitzenhonorar von 25 000 Euro wert war. Und wahrscheinlich muss Steinbrück in Talkshows demnächst erläutern, wie es denn um seine Küchenkompetenz bestellt ist. Schließlich ließ die Alliance Möbel Marketing für einen Vortrag des Ex-Ministers bei den „Küchen-Kompetenz-Tagen“ in Bad Neuenahr 15 000 Euro springen.

Er habe seine Nebeneinkünfte nun „nach Euro und Cent einschließlich der Nebenkosten“ veröffentlicht, betont Steinbrück. Den von der Konkurrenz erhobenen Vorwurf, er habe seine Unabhängigkeit verloren und sei käuflich, weist er als absurd zurück. Ein Problem für seinen Wahlkampf sieht der Kandidat nicht, auch wenn Geringverdiener vielleicht kein Verständnis für solche Honorarsätze hätten. Er erinnere sich noch gut an Zeiten, in denen er selbst mit weniger als 1000 Euro auskommen musste oder arbeitslos war.

Spitzengenossen wie Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier oder die Wunschkoalitionspartner bei den Grünen bescheinigen Steinbrück, Wort gehalten und volle Transparenz hergestellt zu haben. Das schwarz-gelbe Lager, das Steinbrück zunächst heftig attackiert, sich der Forderung  nach totaler Transparenz bei den Nebeneinkünften aber verweigert hat, reagiert fast handzahm. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer lobt es als „gut und richtig, wenn man als Kanzlerkandidat freiwillig Klarheit darüber schafft, ob das Bundestagsmandat oder Vortragsveranstaltungen im Mittelpunkt der Abgeordnetentätigkeit stand“.

Mit seiner Offenheit wolle er Abgeordneten in anderen Fraktionen „ein Beispiel“ geben, betont hingegen der Kanzlerkandidat. „Nachdem andere versucht haben, mir einen Stein an den Kopf zu werfen“, sagt er im Willy-Brandt-Haus, „trage ich gern dazu bei, dass daraus ein Bumerang wird, der an ihren eigenen Kopf zurückfliegt.“