Mit einer gewissen Genugtuung beobachten SPD-Politiker die grün-schwarze Regierungskrise. An das Thema Deutschlandkoalition wollen sie aber nicht ran - trotz Avancen der FDP.

Bruchsal - Die oppositionelle SPD sieht sich angesichts der Regierungskrise im Südwesten in ihrer Kritik an Grün-Schwarz bestätigt. Im Falle eines Koalitionsbruchs stehen die Genossen nach den Worten ihrer Landeschefin Leni Breymaier aber nicht für die Bildung einer Deutschlandkoalition aus CDU, SPD und FDP bereit. Die Südwest-SPD habe eine klare Beschlusslage von 2016, wonach sie in dieser Legislaturperiode nicht mit der CDU koalieren werde, sagte Breymaier am Samstag beim Landesparteitag in Bruchsal bei Karlsruhe.

 

Wegen der Krise der grün-schwarzen Regierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wird spekuliert, dass das Bündnis bald platzen und eine Deutschlandkoalition gebildet werden könnte. Breymaier hatte solche Gedankenspiele im Südwesten schon am Freitag als „Schnapsidee“ bezeichnet. SPD-Landtagsfraktionschef Andreas Stoch drückte sich weniger deutlich aus. Er hatte erklärt: Wenn es zum Bruch von Grün-Schwarz komme, müsse man sehen, ob es ein Dreierbündnis oder Neuwahlen gebe.

Stoch sagte beim Parteitag, hinter der grün-schwarzen Fassade gebe es keinen Inhalt. Grün-Schwarz solle möglichst schnell die Bühne freimachen für eine neue Regierung. SPD-Landesgeneralsekretärin Luisa Boos sagte, die Geschichte von Grün-Schwarz sei zu einer Geschichte der Arroganz, der Fehlentscheidungen und des Stillstands geworden.

Bislang haben die Bürger eine Stimme

Grün-Schwarz war im Zuge eines Streits über eine Reform des Landtagswahlrechts in eine schwere Krise geraten. Die Reform war im Koalitionsvertrag vereinbart, scheiterte aber an der CDU-Landtagsfraktion. Breymaier machte klar, dass eine Reform eine Bedingung für die SPD für eine Regierungsbeteiligung nach einer Landtagswahl sei. Beschlusslage sei, dass die SPD zwei Stimmen bei der Landtagswahl wolle. Bislang haben die Bürger eine Stimme - anders als in anderen Bundesländern, wo es die Erst- und Zweitstimme gibt.

FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich sagte mit Blick auf eine Deutschlandkoalition: „Wenn die SPD die Einführung der Zweitstimme bei der Landtagswahl als Voraussetzung dafür sieht, dass Baden-Württemberg wieder eine stabile Regierung bekommt, dann ist die FDP gerne bereit, diese Forderung zu erfüllen.“

In der Regierungszeit von Grün-Rot von 2011 bis 2016 war eine Wahlrechtsreform bereits gescheitert. In der SPD-Landtagsfraktion gab es damals Kritik an der Reform, obwohl die Landespartei sie wollte. Bis heute sind die SPD-Landtagsabgeordneten bei dem Thema unterschiedlicher Meinung.

Unterdessen gibt es in der SPD Kritik am Verlauf der internen Erneuerung seit der Landtagswahl im Südwesten und der jüngsten Bundestagswahl. Juso-Landeschef Leon Hahn sagte, die Südwest-SPD sei ein Stück weit desorientiert. „Wir können uns keine orientierungslose Partei im Land mehr leisten.“ Die SPD müsse thematisch klare Prioritäten setzen. Breymaier entgegnete, zum Landesparteitag im Herbst werde es inhaltliche Vorschläge geben - man sei im Zeitplan. „Das Gras wächst nicht schneller, indem man daran zieht.“

„Das Gras muss nach oben wachsen“

Hahn sagte: „Aber wir sollten wenigstens wissen, wo das Gras ausgesät ist, für wen wir Politik in diesem Land machen wollen.“ Es müsse auch geklärt werden, wohin das Gras wachsen solle - nach rechts oder links? „Ich finde, das Gras muss nach oben wachsen“, sagte er mit Blick auf Wahlergebnisse. Bei der Landtagswahl 2016 hatte die SPD im Land 12,7 Prozent und war damit auf ein Allzeittief gefallen.

Der Landesparteitag verabschiedete einen Antrag des Parteivorstands zur Digitalisierung in der Arbeitswelt. Darin tritt die SPD dafür ein, die Menschen für den digitalen Umbruch fit zu machen, damit sie nicht um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen. Auch sollen Regelungen zum Schutz vor Überforderung von Arbeitnehmern geschaffen werden.

Angenommen wurde auch ein Antrag, den die Jusos mit der Landtagsfraktion und SPD-Kommunalpolitikern zum Wohnungsbau erarbeitet hatten. Darin fordert die SPD unter anderem deutlich mehr Baufläche im Land, die Einrichtung einer Landesentwicklungsgesellschaft, die sich um die Schaffung von Wohnraum kümmert, und eine Erhöhung der Landesbauförderung.