SPD-Landesvize Hilde Mattheis treibt den parteiinternen Widerstand gegen eine Koalition mit der Union an wie sonst nur noch die Jusos. Am 25. Februar trifft sie in Ulm auf die designierte Parteichefin Andrea Nahles.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Juso-Chef Kevin Kühnert mag das junge, unverbrauchte Antlitz der NoGroko-Kampagne sein. Doch mehr und mehr zeigt sich ein altbekanntes Gesicht der SPD als weitere Galionsfigur der Bewegung, die eine Koalition mit der Union verhindern will: die Ulmerin Hilde Mattheis, seit 2002 Mitglied des Bundestages, ist als Groko-Gegnerin präsent in der Öffentlichkeit wie nie zuvor. „Medien machen solche Konflikte gerne an Personen fest“, weist die 63-Jährige persönliche Ambitionen von sich. „Wesentlich ist, dass wir nicht die Konzentration auf eine Figur haben.“

 

Mattheis will sich auf Inhalte beschränken: auf die Forderung nach mehr Mitsprache der Basis vor allem, ihren Dauerbrenner. „Eine Urwahl des oder der Vorsitzenden ist jetzt möglich“, betont sie und hält rechtliche Bedenken dagegen für überzogen, denn ein Parteitag könnte doch die Entscheidung der Mitglieder bestätigen. „Damit hat jeder Vorsitzende auch die Legitimation schlechthin für diese Position.“ Ähnlich sei dies schon in der Vergangenheit gehandhabt worden. Zudem sei die Urwahl als Teil des Erneuerungsprozesses ein Versprechen des jüngsten Bundesparteitags gewesen. „Es ist für mich unverständlich, warum man dann bis zum nächsten Mal warten will.“ So gesehen lehnt sie die jetzige Lösung mit Olaf Scholz als kommissarischem Vorsitzenden und Andrea Nahles als künftiger Chefin ab. „Es kann nicht sein, dass man an der Spitze Posten besetzt, indem ganz wenige so etwas ausdiskutieren und dann den Gremien vorsetzen.“

Spott von der Parteiführung

Fragt man die enge Parteiführung nach Mattheis, so winkt diese ab. Die habe „keine Bedeutung in der SPD“, sagt ein führender Funktionär. Und Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel spottet über „Kleinstgruppen“. Wenn der Widerstand da mal nicht unterschätzt wird. „Das nehme ich nicht persönlich“, retourniert sie. „Wir sind stark verankert an der Parteibasis – dafür braucht man keinen Ritterschlag aus dem Willy-Brandt-Haus.“ Orientiert an der britischen Momentum-Bewegung von Jeremy Corbyn würden die Positionen „im Schneeballsystem“ in die Partei getragen. Fast stündlich kämen neue Veranstaltungen der NoGroko-Kampagne hinzu, und allein die Demokratische Linke, deren Vorsitzende sie ist, verzeichne täglich bis zu 15 Eintritte in die SPD.

Am 25. Februar könnte es in Ulm zum Showdown kommen. Da wird die starke Frau der SPD, Andrea Nahles, auf der Regionalkonferenz für Baden-Württemberg und Bayern für den Koalitionsvertrag werben. „Ganz lustig“, findet Mattheis diese Begegnung quasi vor ihrer Haustür. Ein Rededuell darf man dennoch nicht erwarten, weil in ihren Augen kein faires Verfahren gewährleistet ist. Die NoGroko-Bewegung bemühe sich, bei jeder Veranstaltung auch einen Befürworter auftreten zu lassen. Bei den sieben Regionalkonferenzen hingegen werde nach einem Eingangsstatement der Parteiführung an Tischen diskutiert. „Da sind unsere Leute auch“, sagt Mattheis. „Aber man geht mit einem ganz anderen Duktus in diese Debatten.“ Am 24. Februar soll es zudem ein Regionaltreffen der SPD Baden-Württemberg in Waiblingen geben – ebenso nicht-öffentlich. Mattheis rügt das, denn die Groko-Gegner tagen stets öffentlich.

Unterschiedliche Haltungen im Landesverband

„Immer die Hilde“, heißt es leicht genervt in der Südwest-SPD, wenn Mattheis mal wieder Schlagzeilen macht. Auch ein dünner Rückhalt aus dem eigenen Verband mag dazu geführt haben, dass die Ulmerin auf dem Bundesparteitag nicht in den Parteivorstand gelangte. „Das ist einfach so“, kommentiert sie diese Pleite trocken.

Den Posten der gesundheitspolitischen Sprecherin in der Bundestagsfraktion habe sie hingegen freiwillig abgegeben. „Dies hängt ein Stück weit mit meiner eigenen Glaubwürdigkeit zusammen.“ Sie habe sich über Weihnachten entschieden, die Funktion nicht mehr anzustreben, um Angriffspunkte zu vermeiden. Soll heißen: als Sprecherin müsste sie Inhalte vertreten, die sie für sich ablehnt.

Seit 1997 ist sie Landesvize – sie hält sich dort mit großer Beharrlichkeit und zum Missfallen vieler Andersdenkender. Derzeit macht sie es der Vorsitzenden Leni Breymaier nicht leicht, ihren Pro-Groko-Kurs einzuhalten. „Das gibt es im Landesverband eben unterschiedliche Haltungen“, sagt Mattheis. Wichtig sei ein korrekter Umgangsstil, und der sei hier „absolut gewahrt“.