Bundesratsminister Peter Friedrich soll für den Ministerpräsidenten in Berlin den Boden bereiten. In der Hauptstadt fällt das Land aber wenig auf. Kenner aus dem Bundesrat berichten, die Landesregierung habe ihre Rolle in Berlin noch nicht gefunden.

Mannheim - Am Morgen sitzt Peter Friedrich im Mannheimer Rathaus dem Oberbürgermeister Peter Kurz und sechs Mitarbeitern der Stadtverwaltung gegenüber. Auf dem langen, schwarzen Konferenztisch sind Blumengestecke und viele Namensschilder aufgereiht. „Kreisbereisung“, heißt der Termin in Peter Friedrichs Kalender. Mindestens einmal im Monat nimmt sich der baden-württembergische Bundesrats- und Europaminister einen Tag Zeit, um mit Kommunalpolitikern, Vereinsmitgliedern, Künstlern oder Unternehmern ins Gespräch zu kommen. Im Mannheimer Rathaus kommt das Gespräch schnell auf die Europapolitik. Es geht um Strukturhilfen und Programme mit den Namen „Jessica“ und „Urban“. Mannheim ist einer der Städte, die früh erkannt haben, welche Chancen für eine Stadt darin liegen, die europäischen Fördertöpfe zu nutzen. Der aus Stuttgart angereiste Minister hört aufmerksam zu, mit dem Fachchinesisch der europäischen Strukturpolitik hat er keine Probleme. Vor seiner Karriere in der Politik arbeitete der Verwaltungswissenschaftler als Berater für EU-Förderprogramme.

 

Die Kontakte ins Land sind dem 40-jährigen Minister wichtig. Er will den Anspruch seiner Regierung einlösen, dass nicht nur in Stuttgart entschieden wird, sondern Bürger und Verwaltungsebenen einbezogen werden. In der Förderpolitik gibt es viel zu besprechen. Friedrich hat sich bestens auf den Termin vorbereitet, er wirkt sachkundig und gut gelaunt. Mit den Leuten kommt er schnell ins Gespräch, dabei hilft ihm seine unkomplizierte Art. Als Mannheims Oberbürgermeister das Gespräch auf eines der drängenden Sozialprobleme bringt, macht sich Friedrichs mitgereister Büroleiter eifrig Notizen. Mannheim gehört zu den Großstädten in Deutschland mit dem massivsten Zustrom aus dem EU-Beitrittsstaat Bulgarien. Das macht der Kommune zu schaffen. Jeden Monat kommen 200 Menschen aus dem südeuropäischen Land nach Mannheim, was besonders in einem Stadtteil zu Problemen führt. Friedrich berichtet von einem bevorstehenden Treffen mit der bulgarischen Regierung. Er will das Thema dort ansprechen, was seine Gesprächspartner dankbar aufnehmen. In der Landesregierung ist er auch für den Dialog mit den Donauanrainerstaaten verantwortlich.

Unterwegs zwischen Stuttgart, Berlin und Brüssel

Der Minister verwaltet einen großen Bauchladen. Manche sagen, der Zuschnitt seines Ressorts sei zu groß. Das Besondere besteht darin, dass er an drei Schauplätzen gefragt ist. Sein Zeitbudget muss sich Friedrich einteilen: Nach seinen Worten verwendet er ein Drittel seiner Zeit dafür, die Bundesratsgeschäfte in Berlin vorzubereiten. Ein Drittel der Zeit nimmt Europa und die Landesvertretung in Brüssel in Anspruch. Außerdem ist er in Stuttgart zusammen mit Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) dafür zuständig, die Arbeit der grün-roten Koalitionsregierung vorzubereiten und zu steuern. Vor allem Letzteres ist wegen mancher Querschüsse aus den eigenen Reihen ein aufwendiger Job.

Gefragt ist Friedrich in den kommenden Monaten vor allem in Berlin. Am Freitag wird Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum ersten Mal als Bundesratspräsident in Erscheinung treten. Das ist für einen grünen Länderchef Premiere. Er leitet künftig Sitzungen der Länderkammer und nimmt viele repräsentative Aufgaben wahr. Kretschmann will auch inhaltlich einiges bewegen. Dafür benötigt er seinen Bundesratsminister.

Der baden-württembergische Statthalter in der Hauptstadt

Dennoch fragen sich in Berlin manche, ob Kretschmann in dieser Rolle mehr bezweckt als PR in eigener Sache. Der Grund dafür liegt vor allem in der Regierung selbst. Früher war die baden-württembergische Landesregierung ein Ort, an dem Strippen gezogen wurden. Die Statthalter kamen von der CDU und waren mit den Unionsländern gut vernetzt. Seit den Bonner Zeiten fiel Baden-Württemberg die Aufgabe zu, die CDU/CSU-Länder zu koordinieren. Mit dem Farbenwechsel im Land hat sich auch auf Berliner Bühne einiges geändert. Die alten Verbindungen werden nicht mehr gebraucht. Friedrich erweist sich zwar als guter Netzwerker und kennt sich als früherer Bundestagsabgeordneter bestens aus, dennoch fehlt etwas.

Einen großen Vorteil für seine Arbeit sieht er darin, dass er dem SPD-Bundesvorstand angehört. Die enge Einbindung in wichtige Parteigremien hätten seine Vorgänger nicht nutzen können, meint er. Der Statthalter in Berlin achtet genau darauf, dass mit dem Willy-Brandt-Haus abgestimmt wird, was und wie in der Landesvertretung gedacht wird. Gerade im Bundesrat kommt es aber weniger auf Parteilinien an als auf die Fähigkeit, Kompromisse zu finden. Das weiß natürlich auch Friedrich. Er kümmert sich vor allem darum, dass die Kontakte zu den rot-grünen Regierungen und Großen Koalitionen stimmen. Die Partei sieht er wie eine Familie. „Und die Familie hält zusammen“, sagt Friedrich. Diese enge Fokussierung hat aber auch Nachteile.

Das Eigenständige aus dem Ländle fehlt

Kenner aus dem Bundesrat berichten, die Landesregierung habe ihre Rolle in Berlin noch nicht gefunden. Während andere rot-grüne Regierungen wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Themen in der Finanz- und Arbeitsmarktpolitik besetzen, ist es um das Ländle in Berlin still geworden. Hin und wieder stellt sich zwar mediale Aufmerksamkeit ein, wenn Baden-Württemberg etwa eine Begrenzung der Zinsen für Überziehungskredite fordert. Das Land beteiligt sich auch eifrig an Anträgen im Bundesrat zu Mindestlöhnen und höheren Spitzensteuersätzen. Doch solche Initiativen bleiben meist folgenlos. Ein Ländervertreter, der den Bundesratsbetrieb gut kennt, meint: „Von Baden-Württemberg hören wir viel Mainstream, es gibt aber wenig eigenständige Ideen.“

Friedrich sagt, die Gestaltungsmöglichkeiten in der Länderkammer hielten sich wegen der unklaren Mehrheitsverhältnisse in Grenzen. Weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün verfügen in der Länderkammer zurzeit über eine Mehrheit. „Die Bundesregierung versucht, alles aus dem Bundesrat herauszuhalten, was geht“, meint Friedrich. Schwarz-Gelb will sich keine blutige Nase holen. Damit gibt es auch wenig Möglichkeiten für Verständigungen.

Das zeigt sich auch im Terminkalender des Ministers. Ablesen lässt sich das am Montag in dieser Woche. Morgens früh muss der Minister um vier Uhr zu Hause in Konstanz aufstehen, um in Berlin um halb neun den ersten Termin wahrzunehmen. Am Vormittag spricht er mit Mitarbeitern im Berliner Büro. Später geht es zur SPD-Vorstandssitzung, danach folgen weitere Besprechungen und der Empfang eines Botschafters. Am Abend begrüßt Friedrich ausländische Korrespondenten in der Landesvertretung. Um kurz nach 21 Uhr muss er zum Flughafen, um nach Stuttgart zu fliegen. Ein prall gefülltes Programm.

Seine Präsenz in Berlin könnte ausgeprägter sein

Dennoch ist Kritik zu hören, der Minister sei in Berlin wegen anderer Verpflichtungen wenig präsent. „Der ist so gut wie nie da“, berichtet einer, der in der Landesvertretung ein und aus geht. Dafür ist ein Vertrauter des Ministerpräsidenten immer da: Volker Ratzmann, früherer Fraktionschef der Berliner Grünen, ist zum Abteilungsleiter in der Landesvertretung befördert worden. Dem Mitglied des Grünen-Parteirats wird großer Betätigungsdrang nachgesagt.

Friedrich macht kein Hehl daraus, dass ihn vor allem seine „Scharnierfunktion“ in der grün-roten Regierung in Stuttgart reizt. Dass die Koalition insgesamt geräuschlos arbeite, sieht er auch als seinen Erfolg an. Die SPD habe es geschafft, die großen Ministerien zu besetzen. Die SPD-Ministerinnen und Minister vergleicht er mit den Arbeitern im Maschinenraum. Dass die Sozialdemokraten ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen, ist für ihn der Maßstab. Dafür nimmt er auch in Kauf, dass auf die SPD-Minister weniger Glanz abfällt als auf den Regierungschef. „Das Kapitänsdinner findet manchmal ohne uns statt.“

Als Steuermann der Koalition findet Friedrich viel Anerkennung. In der Landespartei sind manche der Meinung, er solle stärker in den Vordergrund treten. Berlin ist wohl nur eine Etappe.