Yasmin Fahimi ist neue Generalsekretärin der SPD. Sigmar Gabriel wollte Ralf Stegner und machte daraus auch auf dem Parteitag keinen Hehl. Fahimi hat zwar keine Hausmacht in der SPD, gilt aber als energisch und klug. .

Berlin - Es war eine kurze Vorstellungsrede von Yasmin Fahimi. Rund zehn Minuten, nicht viel Zeit, um grundsätzlich zu werden. Sie sprach auf dem Sonderparteitag der SPD in Berlin zunächst über organisatorische Fragen. Ein paar Einblicke gewährte sie auch in persönliche Befindlichkeiten. Sie habe ja so Einiges über sich lesen müssen in den vergangenen Tagen, über einen angeblichen Frauenbonus, einen Migrantenbonus, einen Niedersachsenbonus. Auf all diese Attribute habe sie keinerlei Einfluss, und sie bitte deshalb darum, eine Chance zu bekommen, ihre Qualitäten unter Beweis stellen zu dürfen. „Ich werde ungern danach beurteilt, was mir in die Wiege gelegt ist, sondern lieber danach, was ich aus mir gemacht habe“, sagte sie. Politisch sei sie „gerne streitbar“, sagte die 46-Jährige. Aber ausgerechnet davon war noch nicht viel zu spüren. Die SPD müsse „ihre eigenständige Rolle behalten“, sagte Fahimi. Was das bedeutet, ließ sie vorerst offen. Trotzdem oder vielleicht auch deswegen erzielte sie achtbare 88,5 Prozent der Stimmen.

 

Die Diplom-Chemikerin tastet sich langsam vor und womöglich ist das nicht die dümmste Strategie. Denn Fahimi, Tochter einer Deutschen und eines Iraners, übernimmt den wohl schwersten Job, den die SPD in Regierungszeiten zu vergeben hat. Sie muss den programmverliebten Genossen das Gefühl vermitteln, dass die Partei im Bund mit der Union nicht ihre Seele verkauft. Sie muss so agieren, dass die Regierungsarbeit nicht gefährdet wird. Sie muss sich im Willy-Brandt-Haus zurechtfinden, in dem die rivalisierenden Grüppchen nur die Sorge eint, dass die Parteizentrale an Einfluss einbüßt. Und sie muss es einem Sigmar Gabriel recht machen, dessen außerordentliche Fähigkeiten nur von seinem unerschütterlichen Glauben übertroffen werden, im Zweifel alles besser zu wissen. Viele in der Parteispitze glauben, dass Letzteres wohl die schwerste Aufgabe sein wird.

Seit 28 Jahren ist die bisherige Gewerkschaftssekretärin der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie in der SPD. In jungen Jahren, bei den Jusos, war sie stramm links. Fahimi gehört zwar dem nicht unbedeutenden SPD-Bezirk Hannover an. Aber eine große Hausmacht hat sie nicht. In der Hauptstadt kennt sie sich nicht aus. Anders als frühere Generalsekretäre verfügt sie auch über kein Bundestagsmandat. Rückhalt in der Bundestagsfraktion kann sie kaum organisieren.

Großes Lob der Genossen: Die neue Frau sei „schnell im Kopf“

Für sie sprechen Charaktereigenschaften, die ihr sowohl ihre Befürworter, als auch die Skeptiker zuschreiben. Sie sei „schnell im Kopf“, heißt es. Und „durchsetzungsstark“. Eine energische Frau, die sich nicht gern auf der Nase herumtanzen lasse. Das ist auch der Grund, weshalb manche schon heitere Zeiten prophezeien. Denn Gabriel hat bisher kein Talent erkennen lassen, in seinem von ihm stets großzügig bemessenen Herrschaftsbereich Talente aufzubauen.

Als Fahimi vor wenigen Tagen erstmals vorgestellt wurde, demonstrierte der Parteichef, worauf sie sich eingelassen hat. Als sie gefragt wurde, ob sich die SPD in Thüringen als Juniorpartner eines linken Ministerpräsidenten hergeben würde, antwortete sie umständlich, aber für die Partei wäre kein Schaden entstanden. Dennoch griff Gabriel ein. „Die Antwort lautet: das entscheiden die Landesverbände“, sagte er. Fahimi war vorgeführt, wie ein Schulmädchen, dem der Lehrer öffentlich bedeutet, wie viel es noch aufzuholen hat, um mit den Großen mithalten zu können.

Gabriel hat Fahimi zwar selbst ausgesucht, aber die Frage ist, welche Ziele er mit dieser Personalie verfolgt. Unbestritten ist, dass Fahimi fernsehtauglich auftreten kann. Aber zugleich hat Gabriel ihren Wirkungsbereich eingeengt. Der Europawahlkampf, eigentlich Sache des Generalsekretariats, liegt voll und ganz in Händen von Matthias Machnig. Und mit Ralf Stegner, dem Landeschef Schleswig-Holsteins, wurde auf diesem Parteitag mit 78 Prozent der Stimmen ein Mann zum stellvertretenden Parteichef gewählt, der von Gabriel ausdrücklich den Auftrag mit auf den Weg bekommt, das Profil der SPD zu schärfen.

Die neue Generalsekretärin will „SPD pur“ zeigen

Gabriel stellte Stegner auf dem Parteitag geradezu euphorisch vor, machte klar, dass er das Nordlicht gern als Generalsekretär an seiner Seite gesehen hätte, dass es aber nun mal aufgrund der innerparteilichen Arithmetik eine weibliche Besetzung habe sein müssen. Bei Fahimi würdigte er vergleichsweise kühl ihren „Blick von außen“ und ihr Talent für „strategische und organisatorische Planung“. Ob er es wollte oder nicht: er ließ damit durchblicken, dass Fahimis Hauptvorzug aus seiner Sicht offenbar der Umstand ist, dass sie eine Frau ist.

Gabriel hat ihr den Auftrag erteilt, die Beteiligung der Mitglieder weiterzuentwickeln. Auf dem Parteitag hat er erneut versichert, dass das Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag keine Eintagsfliege bleiben werde. Fahimi wird die Frage beantworten müssen, wie dieses Versprechen einzulösen ist, wenn die Koalition unvorhersehbare Probleme zu lösen hat. Wenn sie Krisen zu bewältigen hat, auf die der Koalitionsvertrag keine Antworten hat.

Die Partei müsse klar machen, was „SPD pur“ bedeute, sagte Fahimi. Sie müsse weiterdenken, über die große Koalition hinaus. Man wird sehen, was sie damit meint.