Der neue Gemeinderat hat sich noch nicht konstituiert, da brennt im Rathaus bereits der Baum. Wer wird Bezirksvorsteher in Stuttgart-Ost? Der SPD-Kreisvize Daniel Campolieti würde gern, doch auch die CDU meldet Ansprüche an. Das erinnert an 1999.

Stuttgart - Der neue Gemeinderat hat sich noch nicht konstituiert, da brennt im Rathaus bereits der Baum. Es geht zwar nur um eine eigentlich nachrangige Personalie, der Streit zwischen CDU und SPD weist aber bereits darauf hin, wie sich die Fraktionen nach den Verschiebungen durch die Kommunalwahl positionieren.

 

Es geht – wieder einmal – um die Besetzung der Bezirksvorsteherstelle im Stuttgarter Osten. Diese hat noch Martin Körner inne, der jetzt SPD-Fraktionschef im Gemeinderat ist. Seine erste Amtshandlung: den Genossen den Posten erhalten. Jedoch reklamiert die CDU die Stelle aufgrund des klaren Siegs bei der Kommunalwahl für sich und hat dafür intern die 31-jährige Juristin Tatjana Strohmaier auserkoren.

Die CDU habe zwar Anspruch auf einen zweiten Bezirksvorsteher – das könne aber auch der im Süden sein, den die Grünen aller Voraussicht nach frei machten, erklärt Körner. Einem Einigungsversuch mit dem Kommunalwahlsieger Alexander Kotz (CDU) vor der geheimen Wahl im Ende Juli verschließe er sich zwar nicht, er verweist aber auf die Hauptsatzung, „in der von einem Vorschlagsrecht der CDU für einen bestimmtem Stadtbezirk keine Rede ist“. Seit Freitag ist Körner aber in dieser Angelegenheit ein Getriebener: Der Obergenosse im Stadtbezirk und Vizekreischef, Daniel Campolieti, hat Körner und den Bezirksbeiräten mitgeteilt, sich für den Posten bewerben zu wollen. „Jeder Kandidatur gebührt Respekt“, sagt er. Diesen zolle er auch Tatjana Strohmaier.

Die Geschichte wiederholt sich

Geschichte wiederholt sich also doch: 1999 hatte die CDU ebenfalls das Ehrenamt nach einem Wahlerfolg für sich reklamiert, das „lautstarke Aufbegehren der SPD“, deren Vertreter Peter Fischer seit 15 Jahren den Osten „regierte“, kritisiert und das Festklammern als „merkwürdiges Demokratieverständnis“ gegeißelt. Der damalige CDU-Kreisvorsitzende Christoph Palmer und Fraktionschef Michael Föll fuhren die harte Linie, drückten in einer Kampfabstimmung ihren Bewerber Bernhard Kübler durch, der 2009 der SPD und Martin Körner weichen musste.

Dass dessen Strategie, es erneut darauf ankommen zu lassen, zu Ende gedacht ist, wird im Gemeinderat allerdings bezweifelt. Nicht nur CDU-Chef Kotz findet das Vorgehen „nicht nur befremdlich, sondern schon sehr befremdlich“; auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Peter Pätzold, der einen von drei Schultes-Posten abgeben muss, hält wenig von der SPD-Taktik. Die Grünen wären zwar nur mittelbar an der Entscheidung beteiligt, Pätzold kann sich aber Angenehmeres vorstellen, als gleich bei der ersten Wahl vor die Alternative gestellt zu werden, an der neuen Mehrheit der „bunten Linken“ zur Durchsetzung sozialdemokratischer Partikularinteressen mitzuwirken oder mit einem Votum für die CDU die angestrebte bessere Zusammenarbeit zwischen Grünen und Schwarzen zu betonen. „Über die Besetzung der Posten muss zwingend vorher gesprochen werden“, mahnt Pätzold.

Für den neuen SPD-Fraktionschef Körner ist es eine klare Verbesserung, dass sich die betroffenen Bezirksbeiräte ein Bild von dem oder den Kandidaten machen könnten. Das sei allemal demokratischer, als im Hinterzimmer zu entscheiden. Auch er habe sich damals vor Ort präsentiert.

Der Unterschied: Campolieti, der seine Chance tatsächlich in der „unübersichtlichen Gemengenlage“ im Gemeinderat wittert, ist nicht der, sondern vorläufig nur ein Kandidat der SPD für den Schultesposten im Osten. Das könnte sich ändern, und dann wäre der Flurschaden noch größer. Nicht nur Körner zählt zu seinen Kritikern. In der Kreispartei gibt es Unmut, weil der auch von ihm ausgerufene Generationswechsel – Campolieti scheiterte auf Platz zehn der Kommunalwahlliste – gründlich schiefgegangen ist. Nun sind die Alten weg, und die Jungen nicht gewählt worden.

An Selbstvertrauen mangelt es dem stellvertretenden Mietervereinsvorsitzenden aber ebenso wenig wie an Ideen: Er will den Stadtbezirk nicht nur attraktiver machen und somit die erfolgreiche Arbeit von Körner fortsetzen, sondern auch dessen Defizite beseitigen. So sind offenbar unter Körner Kultur und Sport zu kurz gekommen und ist die Teilhabe der Bürger an der Stadtbezirkspolitik verkümmert.