Nach einer längeren Phase der Entspannung legt sich die SPD-Führung mit einem Teil der Gewerkschaften an – vor allem mit Verdi-Chef Frank Bsirske. Grund sind die geplanten Ausnahmen zum gesetzlichen Mindestlohn.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Sie wissen nicht so recht, ob sie sich freuen sollen oder ärgern – über den gesetzlichen Mindestlohn. Vor allem aber über die SPD, weil sie es zugelassen hat, dass das Reformpaket doch nicht als historischer Durchbruch gefeiert werden kann. Die Vertreter des breit angelegten gesellschaftlichen Bündnisses aus Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrts- und Sozialverbänden, die für eine Lohnuntergrenze ohne Ausnahmen eintreten, brachten am Montagmittag in Stuttgart aus ihrer Sicht zahlreiche Nachteile zur Sprache. Mit Fundamentalkritik an den Verantwortlichen halten sie sich lieber zurück.

 

Die Wortführerin des Bündnisses, Leni Breymaier, ist sozusagen die personifizierte Bredouille: Einerseits vertritt sie als Verdi-Landeschefin in erster Linie die kritische Position ihrer Gewerkschaft, andererseits darf sie als SPD-Landesvize nicht einfach auf ihre Partei eindreschen. Also moniert sie – eher moderat – die Rhetorik der Genossen im Mindestlohn-Streit. Sie kapiere nicht, so Breymaier, warum die SPD die Ausnahmen noch verteidigen müsse, statt zu sagen: mit der CDU sei halt nichts Besseres zu machen gewesen.

Der Verdi-Chef lässt Dampf ab

Dass die SPD-Oberen in Berlin in den Angriffsmodus geschaltet haben, hat insbesondere Breymaiers Vorsitzender mit veranlasst: Verdi-Chef Frank Bsirske lässt gerade mächtig Dampf ab wegen all der Sonderregelungen, womit die Koalition den Mindestlohn „brutal amputiert“ hätte. Die neuen Schlupflöcher seien eine regelrechte Einladung, den gesetzlichen Mindestlohn zu umgehen. Bsirske erinnert die SPD auch an ihre Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag, in der der Mindestlohn eine zentrale Forderung war. Der Mann ist Grüner und muss schon von daher wenig Rücksicht nehmen auf die Genossen. Vor dem Bundestag lässt er gemeinsam mit DGB-Chef Reiner Hoffmann an die 500 Gewerkschafter demonstrieren. Selbst posiert er mit einer Polizeikelle für die Fotografen. Sie trägt die Aufschrift: „Kein Lohn unter 8,50€/H“ . Dies hat Auswirkungen auf die Reaktionen in den sozialen Netzwerken, wo die Sozialdemokraten gerade schlecht wegkommen: „Wahlversprechen wieder mal gebrochen, danke SPD“, schreibt etwa Bodo Kuck auf der Facebook-Seite von Verdi offenkundig stellvertretend für etliche Nutzer.