Das klingt aber gar nicht gut: SPD-Vize Ralf Stegner nennt das mühsam erstrittene Kompromisspapier von Seehofer und Merkel im Streit über die Flüchtlingspolitik eine „leere Hülse“. Der Parteilinke will außerdem ein „grobes Foulspiel“ erkannt haben.

Berlin - SPD-Vize Ralf Stegner redet gern Tacheles und so lässt er auch kaum ein gutes Haar am Kompromisspapier von CDU und CSU im Flüchtlingsstreit. Immerhin bestehe die Hoffnung, dass die Union nun zur Sacharbeit zurückkehre.

 
Herr Stegner, CDU und CSU haben sich in der Flüchtlingspolitik geeinigt. Nickt die SPD das Ergebnis jetzt brav ab?
Davon kann keine Rede sein. Wir haben jetzt wochenlang Machtkämpfe und Rosenkriege in der Union ertragen müssen. Da ging es nicht um die Sache, sondern um Egoismus und Rache. CDU und CSU haben damit der Glaubwürdigkeit von Politik extrem geschadet. Das bleibt eine schwere Belastung für die Arbeit der Bundesregierung. Genutzt hat das nur den Rechtspopulisten. Die SPD hat dagegen einen Plan vorgelegt für eine europäische Migrationspolitik, der übereinstimmt mit unserem Koalitionsvertrag und der Europa ernst nimmt und nicht beerdigt. Außerdem müssen wir endlich der Katastrophe ein Ende setzen, dass im Mittelmeer Menschen ertrinken. Unser Maßstab ist eine humanitäre Flüchtlingspolitik mit klaren Regeln und zügigen Verfahren, aber keine Schikanierung von Menschen auf der Flucht.
Was heißt das jetzt mit Blick auf den Unionskompromiss?
Ich wüsste gern, was ich da bewerten soll. Dieser Kompromiss ist doch eine leere Hülse, die dazu dienen soll, das tiefe Zerwürfnis der Unionsparteien jetzt bei der SPD abzuladen. Völlig kryptisch wurden da ein paar Sätze auf ein Schmierpapier gebracht, die mehr Fragen als Antworten liefern. Wir wollen erst einmal wissen, was das denn im Detail meint. Immerhin besteht Hoffnung, dass die Union sich jetzt der Sacharbeit zuwendet. Denn es gibt wichtige Themen. Die SPD hat übrigens gerade ein Programm zur Stärkung der Pflege in Deutschland auf den Weg gebracht.
Also ist der Kompromiss dann immerhin Grundlage für vertiefte Gespräche…
Wir sind stets willens, über die Sache zu reden, wenn es denn etwas zu reden gibt. Das unterscheidet uns ja auch sehr von dem, was CDU und CSU zuletzt geboten haben.
Kann es mit der SPD Transitzentren geben? 2015 haben Sie diese kategorisch abgelehnt und am Montag in den Führungsgremien „geschlossene Lager“ ausgeschlossen …
So ist es, unsere Position ist klar. Die verbrauchten Kampfbegriffe der Union, egal ob sie „Transitzone“ oder „Transitzentrum“ heißen, helfen nicht. Wir haben 2015 über eine völlig andere Lage geredet. Da hatte die Union die verrückte Idee, für alle Flüchtlinge Massenlager einzurichten und sie dort zu internieren. Heute sind die Zahlen sehr viel kleiner. Aber auch für die gilt unser Maßstab: Klare Regeln und Menschen dürfen nicht schikaniert werden.
Also ist die Verwendung des Begriffs „Transitzentrum“ seitens der Union für einen anderen Sachverhalt als 2015 ein Foulspiel, weil so der Streit in die Reihen der SPD getragen werden könnte?
Das ist ein grobes Foulspiel, aber wen wundert’s! Wer so mit Porzellan wirft, Ultimaten stellt, folgenlos Rücktritte verkündet und sich gegenseitig erpresst, der bewegt sich schon lange nicht mehr im Bereich seriöser Politik. Aber mich interessieren die Sachfragen. Und da stehen wir erst am Beginn, nicht am Ende. Wir sind bereit, echte Probleme zu lösen. Und zwar ohne europäisches Recht zu verletzen, ohne nationale Alleingänge, ohne Menschen zu schikanieren und in Übereinstimmung mit einem Koalitionsvertrag, den übrigens auch der Orban-Flügel der Union unterschrieben hat und in dem von Transitzentren nichts zu lesen ist. Das können CDU und CSU nicht mal eben einseitig außer Kraft setzen. Da würden mir auch noch ein paar Punkte einfallen.
Können Sie mit Horst Seehofer noch zusammenarbeiten oder müsste er als vertrauensbildende Maßnahme das Feld räumen?
Wir können uns leider nicht aussuchen, wen die Union aufstellt.
Wie ist es um die Autorität einer Kanzlerin bestellt, die gezwungen ist, mit Seehofer, der Ultimaten setzt, Kompromisse zu schmieden statt ihn rauszuwerfen?
Es war wohl eines der Hauptziele der CSU in diesem Streit, das politische Gewicht der Kanzlerin zu reduzieren. Und das ist ihr offenkundig auch gelungen.