Die harsche Haltung unmittelbar nach der Bundestagswahl hat sich gelockert. Unter bestimmten Bedingungen kann sich Nils Schmid, Chef der Südwest-SPD, vorstellen, dass die Genossen einer gemeinsamen Bundesregierung mit der CDU zustimmen.

Stuttgart - Nach den ersten Sondierungsgesprächen zwischen CDU und SPD in Berlin wird der Ton aus Südwest milder. Kurz nach der Bundestagswahl hatte sich Nils Schmid, der Vorsitzende der baden-württembergischen Sozialdemokraten, noch äußerst distanziert zu einer Großen Koalition geäußert. Wenn es nach ihm ginge, käme sie nicht, hatte er im StZ-Interview gesagt. Inzwischen tritt er dem Gedanken einer Regierungsbeteiligung im Bund näher. Entscheidend seien die Inhalte eines möglichen Koalitionsvertrages, sagte Schmid am Montag. Wenn zentrale Forderungen der SPD erfüllt würden, könne er sich vorstellen, dass die Parteimitglieder einem Vertrag zustimmen würden. Die Einbeziehung der Mitglieder wertet Schmid als einen Erfolg des baden-württembergischen Landesverbands. „Wir sind stolz, dass unser Vorschlag einer Mitgliederbefragung aufgegriffen wurde“, sagte der Landesparteichef.

 

Aktuelle Reaktion aus dem Südwesten

Die Südwest-SPD tritt am Freitag und Samstag zu ihrem Landesparteitag zusammen. Schmid kündigte an, dass die Delegierten mit einer aktuellen Resolution auf den Stand der Verhandlungen in Berlin reagieren werden. Am Samstag wird der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz aus erster Hand aus den Sondierungsgesprächen berichten.

Als Kernpunkte der SPD betrachtet der Landesfinanzminister die Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sowie den Komplex „Recht und Ordnung am Arbeitsplatz“. Es gelte, Länder und Kommunen in die Lage zu versetzen, die Bildung zu verbessern. Bisher sehe er kein Konzept, wie die Ausweitung des Ganztagsschulangebots und die Verbesserung der Inklusion ohne Steuererhöhungen realisiert werden könnten. „Es gibt keinen Grund auf die Erhöhung des Spitzensteuersatzes zu verzichten“. Der stellvertretende Ministerpräsident deutete an, „es wird in der Regierung leichter, die Themen umzusetzen“. Auch sei es „nicht allein die Schuld von Angela Merkel“, dass die SPD nach der jüngsten Großen Koalition bei der Bundestagswahl 2009 so schlecht abgeschnitten habe.

Schmid kandidiert erneut

Dass es 2013 für die Südwestgenossen nicht viel besser ausging, wird der Vorsitzende beim Landesparteitag wohl auch in seinem Rechenschaftsbericht erwähnen. Schmid, der die SPD seit 2009 führt, wird sich wieder zur Wahl stellen. „Ich halte für die SPD gerne den Kopf hin, im Guten wie im Schlechten“. Angesichts seiner Positionen als Finanz- und Wirtschaftsminister, stellvertretender Ministerpräsident und Landesvorsitzender wird Schmid gelegentlich auch aus Parteikreisen Überforderung vorgeworfen. Er erklärt: „Ich halte es für wichtig, Partei und Regierungsamt zu verzahnen“. Er erwartet vom Parteitag, dass inhaltlich und personell die Weichen für die zweite Halbzeit der grün-roten Landesregierung gestellt werden.

Friedrich soll Stellvertreter werden

Veränderungen gibt es auf einer Position in der Stellvertreterriege. Die Offenburger Bundestagsabgeordnete Elvira Drobinski-Weiß gibt ihren Posten nach neun Jahren auf. Als Vertreter Südbadens kandidiert mit Bundesratsminister Peter Friedrich ein Vertrauter Schmids. Der Vorsitzende begrüßt sehr, dass Friedrich antritt. Der Konstanzer Friedrich ist Mitglied des Parteivorstands der Bundes-SPD. Schmid lobt ihn als „wichtiges Verbindungsstück für die Partei nach Berlin“. Die drei weiteren Stellvertreter Schmids, die baden-württembergische Verdi-Chefin Leni Breymaier sowie die Bundestagsabgeordneten Hilde Mattheis und Lars Castellucci streben eine weitere Amtszeit an; ebenso die Generalsekretärin Katja Mast und der langjährige Schatzmeister Karl-Ulrich Templ.

Bildungspolitik zentrales Anliegen

In einem Leitantrag will sich die SPD zur Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung bekennen. Sie wendet sich laut Schmid gegen eine Erhöhung der Akademikerquote. Vielmehr soll der Übergang von der Schule in den Beruf verbessert werden.

Gegen den Willen der Arbeitgeber macht sich die SPD weiterhin für fünf Tage Bildungsfreistellung im Jahr stark. Schmid erklärte, die Vorbereitungen im Finanz- und Wirtschaftsministerium seien angelaufen. Er rechnet für 2014 mit der parlamentarischen Beschlussfassung.

Koalitionskonflikt um Landratswahlen

Die SPD wird bei ihrem Parteitag voraussichtlich erneut die Direktwahl der Landräte fordern. Das birgt Konfliktstoff mit dem grünen Koalitionspartner. Der SPD-Parteichef Nils Schmid will den Streitpunkt notfalls in einem Koalitionsausschuss klären lassen.