Simone Lange hat bei der Wahl der neuen SPD-Chefin eigentlich keine Chance. Aber die will Flensburgs Oberbürgermeisterin nutzen – und ihrer Partei einen neuen Kurs geben.

Berlin - Für Hartz IV will sich die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange entschuldigen, das Geld den Reichen nehmen und den Armen geben. So werde die SPD endlich wieder gewinnen, sagt sie im Interview mit unserer Zeitung – unmittelbar vor dem Parteitag der SPD in Wiesbaden. Dort tritt sie gegen Andrea Nahles an.

 
Frau Lange, warum wollen Sie Parteivorsitzende werden?
Damit die SPD wieder gewinnt. Wir brauchen dringend einen Kurswechsel und den will ich herbeiführen. Parteien können nur gewinnen, wenn sie mit ihrer Programmatik auch ihre Leute ansprechen. Das ist der SPD nicht mehr gelungen. Ich mache dafür nicht allein, aber doch maßgeblich die Agenda-Politik verantwortlich. Daraus müssen wir unsere Lehren ziehen, vieles korrigieren und Zukunftsrezepte formulieren, damit wir wieder unverwechselbar sind.
Sie wollen sich für Hartz IV entschuldigen?
Das ist richtig. Eine aufrichtige Geste des Bedauerns wäre wichtig. Die Grundprinzipien von Hartz IV entsprechen nicht den Grundprinzipien der Sozialdemokratie. Wir haben da einen Teil unserer Werte verraten.
In welche Richtung soll die SPD marschieren, um wieder erfolgreich sein zu können?
Die SPD muss in den Themenfeldern Sicherheit, Energiewende und Wirtschaft die Meinungsführerschaft erkämpfen. Vor allem das Sicherheitsbedürfnis der Menschen müssen wir endlich wieder ernst nehmen, und zwar in einem umfassenden, sozialdemokratischen Sinn. Der Ausgangspunkt unseres Denkens ist soziale Sicherheit. Ein funktionierender Sozialstaat ist die Voraussetzung für innere Sicherheit, die sich nicht allein durch eine konservative Recht-und Ordnung-Logik garantieren lässt. Wir müssen deshalb den Menschen erklären, wie wir ihre Renten auf deutlich höherem und damit menschenwürdigem Niveau oberhalb der Armutsgrenze sichern wollen, wie wir ihre Arbeit und ein auskömmliches Einkommen sichern, wie wir ihren Kindern faire Bildungschancen garantieren wollen. Das haben wir nicht mehr getan.
Woher soll das Geld herkommen?
Wir müssen uns endlich wieder trauen, eine stärkere Umverteilung in der Steuerpolitik einzufordern, etwa durch eine Vermögenssteuer.
Woher rührt der Frust der Basis?
Die Basis will angesichts der größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich endlich wieder über echte Umverteilungskonzepte diskutieren, die jene von mir beschriebene soziale Sicherheit finanzieren können. Wir haben uns inhaltlich über viele Jahre zu sehr über die Regierungsarbeit in der großen Koalition definiert. Die Mitglieder haben außerdem das Gefühl, bei Entscheidungen auf Bundesebene außen vor zu bleiben.
Wie wollen Sie führen?
Mit offenen Armen, offenen Ohren, offenen Augen. Die Mitglieder müssen bei Entscheidungen, etwa über den Parteivorsitz oder die Kanzlerkandidatur, aber auch über programmatische Fragen, verbindlich befragt werden. Da brauchen wir neue Beteiligungsformen. Die Kopfgeburten des Bundesvorstands bei der Besetzung der Spitzenposten haben die Partei in den vergangenen Jahren zurückgeworfen statt vorangebracht.
Ist die Parteiführung fair mit Ihnen umgegangen?
Na ja. Fair war es nicht, dass wir keinerlei Unterstützung erhielten, weder logistisch, noch finanziell. Mein Team und ich stemmen alles selbst, mit eigenem Geld und in unserer Freizeit. Mal zahlt der eine die Tankrechnung für den VW-Bus, mal der andere. Die Parteiführung wusste nicht, wie sie mit einer Gegenkandidatin umgehen soll und daraus entstand eine Sprachlosigkeit, die für einen fairen Wettstreit nicht dienlich war. Da müssen an der Parteispitze alle im Umgang mit innerparteilicher Demokratie noch gehörig dazulernen. Aufgabe der Führung wäre es, solche Verfahren zu moderieren, Diskussionsforen zu ermöglichen, auf denen sich die Kandidatinnen und Kandidaten auf Augenhöhe vorstellen können. Das alles ist unterblieben. Souverän war das nicht.
Andrea Nahles soll sie immerhin zu einer Tasse Kaffee eingeladen haben...
Das stimmt. Sie behauptet aber auch: ich hätte keine Zeit gehabt. Und das stimmt nicht. Sie hatte plötzlich keine Zeit mehr. Ich finde, wir sollten solche Tricks lassen.
Empfehlen Sie der SPD den Ausstieg aus der großen Koalition?
Nein. Ich habe beim Mitgliedervotum zwar gegen die große Koalition gestimmt, aber die Mehrheit war dafür. Das ist zu akzeptieren.
Was machen Sie, wenn Sie verlieren? Ihnen wird nachgesagt, in Schleswig-Holstein zu Höherem zu streben?
Wenn ich wider Erwarten verliere, bin ich zweite Gewinnerin. Dann sehen wir weiter.