Nicht nur ein Bombenalarm sorgt bei den Genossen für üble Laune. Die Partei wartet auf ein konkretes Wort von Martin Schulz zur Steuerpolitik. Doch der hält sich noch zurück.

Berlin - Die SPD hat es nicht leicht. Drei verlorene Landtagswahlen hat sie in den Knochen und als sich der Parteivorstand am Montag anschickte, über das Wahlprogramm zu diskutieren, bremste eine Bombendrohung den Diskussionsdrang. Zwei Stunden vergingen, bis die Polizei Entwarnung gab. Anders als in früheren Fällen waren die Experten hochgradig alarmiert, die Parteizentrale wurde evakuiert, auf Röntgenaufnahmen eines Päckchens, das im Willy-Brandt-Haus abgegeben worden war, konnten die Sprengstoffprofis Drähte erkennen. Später dann Entwarnung, vielleicht ein schlechter Scherz, die Ermittlungen dauerten an, heißt es.

 

Draußen auf dem Gehweg standen sich derweil die Mitglieder des Vorstands auf den Füßen. Andrea Nahles, die Arbeitsministerin, sah ähnlich ratlos drein wie Fraktionschef Thomas Oppermann und die anderen Spitzengenossen, die den Polizisten in ihren Schutzwesten gegenüberstanden. Man war ohnehin nicht gut gelaunt angereist, weil eine Mail der Pressestelle an die Nachrichtenagentur dpa hohe Wellen geschlagen hatte. Darin wurde am Sonntagabend ein Pressegespräch am Montag mit Oppermann, Generalsekretärin Katarina Barley und Familienministerin Manuela Schwesig, die das Wahlprogramm in einer Programmkommission federführend entwickeln, aus Termingründen abgesagt. Zu viele Änderungsanträge am Programmentwurf seien abzuarbeiten, hieß es. Was sofort interpretiert wurde als Hinweis auf den Gesamtzustand der Partei. So zerstritten sei die SPD, dass sie sich nicht mal auf vage Leitlinien einigen könne, so die Deutung. Hektik brach aus in der Parteizentrale, der Termin wurde wieder angesetzt, alles nur ein Missverständnis. Es sei nur um die Frage gegangen, wann das Wahlprogramm präsentiert werde. Die Indizien mögen für diese Darstellung sprechen, gleichwohl wurde der Eindruck verfestigt, dass im Willy-Brandt-Haus derzeit alles drunter und drüber gehe.

Es gab kaum wichtige Änderungen am Programmentwurf

Fest steht, dass der Vorstand den Entwurf ohne relevante Änderungen einstimmig verabschiedete. Zwar sei eine „hohe dreistellige Zahl“ an Änderungsanträgen eingegangen, sagte Barley, aber die Anträge hätten sich mit Kleinigkeiten beschäftigt. Von „Spiegelstrich-Huberei“ ist die Rede. Weil im Vergleich zum ersten Entwurf, der vor einer Woche im Vorstand verteilt worden war, fast nichts verändert wurde, sind die Bereiche Rente und Steuern weiterhin äußerst vage beschrieben. Kanzlerkandidat Martin Schulz behält sich vor, erst kurz vorm Parteitag am 25. Juni konkret zu werden. Er will einen „großen Wurf“ und argumentiert, dass seine Versprechen seriös finanziert sein müssten. Auch wolle er, so heißt es, sein Pulver noch trocken halten.

Die Partei scheint da aber nicht mehr mitzuspielen. Wenn sich Schulz nicht sputet, haben andere für ihn zentrale Fragen beantwortet. Erst vor einer Woche hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ein Steuerkonzept vorgelegt, das einen höheren Spitzensteuersatz vorsieht, der allerdings erst bei einem deutlich höheren Einkommen greift. Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel, der die Arbeitsgruppe Steuern leitet, kündigte ebenfalls bereits einen höheren Spitzensteuersatz an. Und Parteivizechefin Schwesig tat bei der Vorstellung des Programmentwurfs so, als sei darin schon das Versprechen verschriftlicht, den Spitzensteuersatz später greifen lassen und die Beitragshöhe bei der Rente nach 2020 konstant halten zu wollen. Nichts davon findet sich bisher im Entwurf.