In Tübingen steht von Montag an eine Zahnarztgattin wegen Mordes vor Gericht. Die 49-Jährige soll ihren Mann Anfang März auf offener Straße erschossen haben. Die Brutalität der Tat schockierte sogar die Polizisten.

Tübingen - Prozessbeobachter erwarten, dass der Saal 120 im Tübinger Landgericht nicht ausreicht für alle Neugierigen. Dabei ist dieser Raum mit mehr als 120 Plätzen der mit Abstand größte im mehr als hundert Jahre alten Justizgebäude in der Tübinger Doblerstraße. Auf der Tagesordnung am Montag steht der erste von neun angesetzten Verhandlungstagen eines Mordprozesses, der in Tübingen zum Stadtgespräch wurde wie kein zweiter in den vergangenen Jahren.

 

Beschuldigt wird eine 49-jährige Frau, die ihren 63 Jahre alten Ehemann im vergangenen März mit sechs Schüssen getötet haben soll. Die Anklage lautet auf Mord, nicht auf Totschlag, weil es sich um einen besonders verwerflichen Vertrauensbruch und eine vorsätzliche Tötung handeln soll samt des Mordmerkmals der Heimtücke. Damit meint die Staatsanwaltschaft den Vorwurf, dass die Frau eine Waffe bei sich führte mit dem Vorsatz, ihren arg- und wehrlosen Mann umzubringen.

Die Brutalität schockte auch die Polizisten

Besonderes Aufsehen löste der Fall wegen der beteiligten Personen und der Begleitumstände der Tat aus. Die Brutalität schockierte sogar die Polizisten. „An ein derartiges Verbrechen kann ich mich nicht erinnern“, kommentierte ein nach vielen Dienstjahren erfahrener Polizeisprecher. Der Ehemann war ein in Tübingen bestens etablierter Zahnarzt, der gemeinsam mit seiner Tochter in der Altstadt eine Praxis führte und einen großen Bekanntenkreis pflegte. Dazu hatte er sich ehemals als Fußballspieler des SV 03 Tübingen einen Namen gemacht.

Die 49-Jährige war die zweite Frau des Zahnarztes. Er hatte die Bulgarin in den 90er Jahren kennengelernt, als die Fußballer des SV 03 nach der Saison zusammen Urlaub machten. 1997 heiratete das Paar. Harmonisch soll die Ehe schon bald nicht mehr verlaufen sein. Die Nachbarn berichteten von für viele vernehmbaren lauten Streitereien. Anfang dieses Jahres stand die Ehe vor dem Ende. Der Zahnarzt hatte sich einer anderen Frau zugewandt, er suchte sich eine Wohnung, überließ seiner Ehefrau jedoch zumindest für einige Zeit das Haus in bester Wohnlage im Tübinger Stadtteil Lustnau.

Nachbarn berichten von lauten Streitereien des Paares

Die Staatsanwaltschaft hat den Abend der Tat rekonstruiert. Vor dem anstehenden Scheidungstermin hatte sich die Angeklagte danach entschlossen, am 6. März noch einmal eine Aussprache mit ihrem Ehemann vor dessen neuer Wohnung zu suchen. „Von einem lautstarken Streitgespräch“, berichtet die Anklagebehörde. Der Zahnarzt fuhr seine getrennt lebende Partnerin mit seinem BMW X5 zurück in Richtung des früher gemeinsam bewohnten Hauses. Das Wortgefecht dauerte an. Die Angeklagte soll dabei gedroht haben, ihren Ehemann und sich selbst zu töten. Der Mann habe ihr dies nicht abgenommen, glaubt die Staatsanwaltschaft.

Zeugen: Die Waffe an die Schläfe gesetzt und abgedrückt

In der Nähe des Fahrtziels stoppte der 63-Jährige den Wagen. Die Frau soll aus ihrer Handtasche eine Pistole gezogen und vom Beifahrersitz aus sechs Schüsse auf ihren Mann abgegeben haben. Obwohl bereits von drei Schüssen getroffen, gelang es ihm, die Fahrertür zu öffnen. Beim Verlassen des Autos trafen ihn zwei weitere Kugeln. Laut Gerichtsmedizin bereits tödlich verletzt, fiel er auf die Straße, der Wagen rollte auf der abschüssigen Straße einige Meter weiter und wurde von einer Gartenmauer gestoppt. Zeugen sahen, wie die Ehefrau daraufhin ausstieg, die Waffe an die Schläfe des Opfers setzte und nach Schimpfworten noch einmal abdrückte.

Danach lief die mutmaßliche Täterin in Richtung Innenstadt, sie wurde wenig später an einer Tankstelle in der Wilhelmstraße festgenommen. Sie gibt die Tat zu. Zur Herkunft der Waffe vom Typ HS9 sagte sie bei ihrer Vernehmung, die Pistole zur Jahreswende über bulgarische Mittelsmänner erworben zu haben. Die Ermittlungsbehörden sprechen davon, dass der Tat Eifersucht und eine massive Kränkung zugrunde liegen. Die Beschuldigte habe sich von ihrem Ehemann hintergangen und zutiefst verletzt gefühlt.