Die Pralinen von Gertrud Bader sind legendär. Jeweils vor Weihnachten stellt sie die Köstlichkeiten in ihrer Küche her, der Erlös geht ans Hospiz in Degerloch. Inzwischen ist das eine stattliche Summe.

Birkach/Degerloch - Mit ruhiger Hand schüttet Gertrud Bader eine kleine Menge der belgischen Vollmilchschokolade in einen Topf. Ein wenig klingt es, als ob Kaffeebohnen auf ein Blech fallen. „Ich kaufe die Schokolade in Tropfenform, dann muss ich sie nicht selbst zerkleinern“, erklärt die 58-Jährige. Unter ständigem Rühren schmelzen die Schokoladenbröckchen auf der lauwarmen Herdplatte zu einer zähen Masse. Hinzu kommt etwas Sahne, später noch gemahlene Orangenschalen und Zimt. Auf keinen Fall Zucker oder gar Geschmacksverstärker. „Das wird die Grundmasse für meine Orangen-Sahne-Zimt-Trüffel“, erklärt die Birkacherin, ohne den Blick vom Topf abzuwenden.

 

Zehn verschiedene Trüffel mit zehn verschiedenen Füllungen

Draußen vor dem Haus rieselt an diesem bitterkalten Vormittag der Schnee aus dem tief hängenden Grau. In Gertrud Baders kleiner Küche ist es angenehm warm, im Hintergrund tönt leise klassische Musik. „Das Pralinenherstellen hat auch etwas Meditatives“, sagt die gelernte Hauswirtschaftlerin. Zehn verschiedene Trüffel mit zehn verschiedenen Füllungen hat sie sich vorgenommen: Zum Beispiel Schlehen-Trüffel aus Zartbitter-Schokolade mit 40 Prozent Schlehenschnaps, Orangen-Thymian-Trüffel in weißer Schokolade, Pflaumentrüffel mit Pflaumenschnaps in Vollmilchummantelung oder eben die Orangen-Sahne-Zimt-Trüffel, die gerade im Entstehen sind.

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„Der Geschmacksträger ist entweder die Sahne oder der Alkohol“, erklärt Bader, die auch Kochkurse an der Volkshochschule gibt. Die verschiedenen Füllmassen werden direkt nach der Zubereitung von Hand mit Hilfe eines Fläschchens in die bereitstehenden Hohlköperformen aus weißer oder dunkler Schokolade geträufelt. Zweimal im Jahr, vor Ostern und Anfang Dezember, investiert Bader etwa 30 Stunden, um auf diese Weise rund 1400 Pralinen herzustellen. Seit 2009 macht die Birkacherin das nun schon, um sie anschließend auf dem Degerlocher Wochenmarkt für einen Euro das Stück zu verkaufen. Abzüglich ihrer Kosten für die Zutaten und die eingekauften Hohlkörperformen geht der Erlös des Pralinenverkaufs vollständig als Spende an das katholische Hospiz Sankt Martin in Degerloch.

Manche Kunden haben schon vorbestellt

„Die Pralinen entstehen nur eine Woche vor Verkauf.“ So frisch bekäme man sie sonst nirgendwo, betont sie. Weil sich genau das inzwischen herumgesprochen hat, muss sich Gertrud Bader um die Nachfrage keine Gedanken mehr machen. „Einige Kunden, die jedes Mal kommen, wenn es wieder Pralinen gibt, haben auch schon vorbestellt“, sagt die Hobby-Chocolatière. Im Laufe der Jahre seien so mehr als 22 000 Euro als Spende für die Arbeit des Hospiz‘ zusammengekommen.

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Gertrud Bader ist seit zwanzig Jahren auch selbst als ehrenamtliche Sterbebegleiterin tätig, davon die meiste Zeit im Degerlocher Hospiz. Die Idee, mit selbst gemachten Pralinen Geld für die Einrichtung zu sammeln, war ursprünglich aus der Not geboren, als in den Anfangsjahren des Hospizes Mittel für eine Kinderspielecke fehlte. Sicher, dass sie auch genügend Abnehmer für die kleinen Naschereien finden würde, war sich die Hauswirtschaftsleiterin bei ihrem ersten Versuch indes ganz und gar nicht: „Nur weil der Pralinenverkauf damals in der Zeitung als ‚Tipp des Tages‘ erschienen war, war gleich der erste Anlauf ein voller Erfolg“, erinnert sich die 58-Jährige. „Wäre ich damals wieder mit zwei Drittel der Pralinen heimgefahren, hätte ich die Aktion sofort wieder begraben.“

Der Tod ist ihr mehrmals nahe gekommen

Wenn Gertrud Bader heute ihre süßen Leckereien auf dem Markt verkauft, kommt sie mit den Menschen fast wie von selbst ins Gespräch – auch und vor allem über ihre Arbeit im Hospiz. „Die Pralinen schaffen da eine Verbindung“, sagt sie. Die Birkacherin hat in der Vergangenheit nicht nur weit mehr als 70 Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet. Auch persönlich ist ihr das Thema Tod im Laufe ihres Lebens mehrere Male nahe gekommen: Mit Anfang 20, als sie selbst an Krebs erkrankt war, wie sie erzählt. Vor allem aber durch den Tod ihres Vaters im Jahr 2001. „Er hatte ein Aneurysma, eine Verdickung der Schlagader, und wollte mich noch einmal sehen“, erinnert sie sich.

Der Besuch des Vaters in Stuttgart endete in der Notaufnahme des Katharinenhospitals, weil sich wohl auf der Fahrt zur Tochter ein Riss im Aneurysma gebildet hatte. „Plötzlich stand die Familie am Sterbebett“, erzählt die Birkacherin. „Wir haben dann aus dem Nichts eine grandiose Begleitung für unseren Vater hinbekommen.“ Eine Erfahrung, die für Gertrud Bader Folgen haben sollte. Sie hatte durch dieses Ereignis eine Gabe in sich entdeckt, von der sie bis dahin nichts ahnte. „Und eine Stimme sagte mir dann: nütze sie.“

Am Samstag, 11. Dezember, verkauft Gertrud Bader ab 7.30 Uhr vor dem Helene-Pfleiderer-Haus auf dem Degerlocher Wochenmarkt wieder selbst gemachte Pralinen. Der Erlös geht an das Hospiz St. Martin in Degerloch.

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Am Samstag, 11. Dezember, verkauft Gertrud Bader ab 7.30 Uhr vor dem Helene-Pfleiderer-Haus auf dem Degerlocher Wochenmarkt wieder selbst gemachte Pralinen. Der Erlös geht an das Hospiz St. Martin in Degerloch.