Die Jugendlichen, die Herr L. vor 14 Jahren vor einer Gaststätte begegneten, kannte er nicht. Aber die Begegnung hat sein Leben komplett verändert: Wer wurde brutal zusammengeschlagen und wird für immer unter den Folgen leiden.
Nach acht Tagen im Koma habe ich die Augen zum ersten Mal wieder aufgemacht“, erzählt Herr L. Ganz sachlich und ruhig sagt er das, obwohl das, was seinem Klinikaufenthalt vorausgegangen war, ihn um ein Haar das Leben gekostet hätte: Er war auf offener Straße von mehreren Jugendlichen ins Koma geprügelt worden. Und bis heute, 14 Jahre danach, ist nichts mehr so, wie es vor diesem Vorfall gewesen ist: Herr L. wird sein Leben lang unter den Folgen des Überfalls leiden.
Was damals genau geschah, kann er nicht mehr sagen: „Ich habe einen absoluten Blackout“. Nur eines weiß er noch: Dass er in dem Ort, in dem er früher gelebt hatte, vor einer Gaststätte gestanden war, und dort hatte er mit einer Gruppe Jugendlicher gesprochen. Die jungen Leute kannte er nicht. Er selbst war damals Mitte dreißig, berufstätig und Single. Es gab keine Verbindungen zwischen ihm und ihnen. Das Gespräch ist das letzte, woran er sich erinnern kann. Er weiß auch nicht mehr, worum es damals ging, ob es Streit gab, ob er provoziert wurde. Alles ist ausgelöscht.
Herr L. hat einen Black out
Zeugen haben bei der Polizei und vor Gericht ausgesagt, dass die Jugendlichen ihn zusammengeschlagen haben – und sie waren dabei so brutal, dass Herr L. ins Koma fiel. Die Jugendlichen wurden später nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Herr L. litt zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung noch extrem unter den Folgen der Misshandlung und war mit seiner gesetzlichen Vertreterin vor Gericht erschienen. „Ich konnte bei der Verhandlung gar nichts aussagen, als mich der Richter gefragt hat, weil ich nichts mehr weiß“, berichtet er. Welche Strafe die Täter erhalten haben, ist ihm nicht bekannt. „Ich glaube aber, dass es nicht besonders viel war, was sie bekommen haben, weil sie ja noch Jugendliche waren“, mutmaßt er.
Bis heute ist Herr L. in psychotherapeutischer Behandlung und muss medizinisch begleitet werden. Jahrelang hatte er Angstzustände, traute sich nicht mehr auf die Straße und hatte zu niemandem mehr Vertrauen. Die Schläger hatten ihn so schwer misshandelt, dass er eine Gehirnblutung erlitt. Er konnte nach dem Erwachen aus dem Koma nicht mehr sprechen, nicht mehr gehen und wie er sagt „nicht einmal mehr einen Kaffee kochen.“ Nach dem Krankenhaus kam die Reha, danach lebte er drei Jahre lang in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung. „Da habe ich zum ersten Mal wieder Vertrauen zu anderen Leuten, zu den Betreuern und Mitbewohnern bekommen.“
Mühsamer Weg zurück ins Leben
Nach drei Jahren, zog er auf Rat der Therapeuten aus und lebte versuchsweise in einer Wohngemeinschaft. Das aber hat nicht geklappt. Er war noch nicht so weit, sein Leben selbstständig zu organisieren: „Ich bin zu spät zu Terminen gekommen und habe meine Medikamente nicht zuverlässig eingenommen,“ erzählt er. Die regelmäßige Einnahme der Medikamente ist für ihn zwingend notwendig, denn durch den Überfall ist er an Schizophrenie erkrankt.
Herr L. arbeitete in dem Wohnheim in einer Behindertenwerkstatt. Er hat in dieser Zeit seine spätere Ehefrau kennengelernt. „Ich hatte richtig Schmetterlinge im Bauch. Es war schön“, schwärmt er noch heute. Ein Jahr lang waren sie verlobt, und er hat auf eigene Faust eine Wohnung für sie beide gefunden. Vor zehn Jahren haben sie geheiratet. Inzwischen sind sie in eine andere Stadt gezogen und heute ist er fünfzig und stolzer Vater eines Kleinkindes. Seine Frau arbeitet in Teilzeit. Er arbeitet fünf Tage in der Woche in der Behindertenwerkstatt einer Einrichtung für psychisch kranke Menschen. Dort hat er einen Bürojob. Die Tätigkeit macht ihm Freude. Denn sie erinnert etwas an seinen früheren Beruf als Lagerist. Den konnte er seit dem Überfall nicht mehr ausüben. „Ich habe immer noch einen Druck im Kopf, zum Beispiel wenn das Wetter umschlägt. In der normalen Arbeitswelt halte ich nicht durch.“ Heute ist er froh, dass er mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind sein Leben leben kann, so wie es ihm gesundheitlich möglich ist. „Ich kann jetzt wenigstens meine Tasse wieder halten und für mein Kind da sein“, sagt Herr L.
Die Zahnprothese sitzt nicht
Er ist Diabetiker und hat eine große Zahnbehandlung vor sich. Er hat alle Zähne verloren und seine Zahnprothese sitzt nicht. „Ich kann gar nicht lachen. Schon dabei wackelt sie “, klagt er. Dreimal am Tag, vor jeder Mahlzeit, muss er sie mit Haftcreme befestigen, damit sie beim Kauen hält. „Einen Apfel kann ich gar nicht essen,“ sagt er. Seit fünf Jahren quält er sich mit dieser Zahnprothese und soll jetzt mehrere Implantate bekommen, die eine neue Prothese halten können und er wieder richtig essen kann.
Der Kostenvoranschlag übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der jungen Familie, die aufstockend zu seiner Rente und dem Verdienst aus der Tätigkeit in der Behindertenwerkstatt sowie der Teilzeitanstellung seiner Frau noch Bürgergeld bezieht. Herr L. wird einen Teil der Zahnarztrechnung in Raten bezahlen. Dennoch benötigt er eine Unterstützung, um die Behandlung beginnen zu können. „Hilfe für den Nachbarn“ bittet um Spenden.
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