Kinder mit einem psychisch kranken Elternteil sind selbst stark belastet. Die evangelische Jugendhilfe Hochdorf hat ein Gruppenprojekt, bei dem betroffene Kinder gestärkt werden. Hilfe für den Nachbarn unterstützt es finanziell.
In manchem Schulrucksack ist mehr drin als Bücher, Hefte, Schreibzeug und eine Vesperbox: Es stecken Ängste und Schamgefühl dazwischen, nur sieht man die nicht und sie werden durch die psychische Erkrankung eines Elternteils verursacht. Wenn die Mutter nach Schulschluss statt mit einem Mittagessen mit verweinten Augen und immer noch im Nachthemd in einer unaufgeräumten Wohnung wartet, wenn der Vater nicht zur Arbeit geht, sondern immer nur schläft und wenn er wach ist, schlechte Laune hat. Wenn man keine Freunde zu sich nach Hause einladen darf, weil die Krankheit ein gut gehütetes Geheimnis bleiben muss.
Depressionen nehmen zu
Das ist der Alltag von Kindern, deren Eltern psychisch krank sind. Nach einer Erhebung durch die DAK haben die Krankschreibungen wegen Depressionen seit 2023 um 50 Prozent zugenommen. Darunter leiden auch die Kinder. „Sie wissen ja, dass ihr Familienleben anders aussieht, als das von Kindern, deren Eltern nicht krank sind“, erklärt Francisca Deh. Sie leitet die Fachstelle Ausblick, der evangelischen Jugendhilfe Hochdorf e.V. Der Name der Fachstelle ist Programm, denn sie will betroffenen Kindern und ihren Familien einen positiven Ausblick in dieser schwierigen Lebensphase bereiten.
In Zusammenarbeit mit anderen Stellen suchen Francisca Deh und ihr Team den Kontakt zu Familien mit psychisch erkrankten Elternteilen. Dabei soll Vertrauen bei den Eltern aufgebaut werden, über das Hilfsangebot informiert werden mit dem Ziel, dass sie die Unterstützung für ihre Kinder annehmen: Bei Ausblick kommen die sechs bis zwölfjährigen Kinder aus betroffenen Familien einmal in der Woche mit speziell ausgebildeten Sozialpädagoginnen zusammen. Freude soll das machen, vor allem aber soll das Erlebnis den Kindern die Last von den Schultern nehmen. Kinder neigen dazu, sich selbst die Schuld an der Situation zuzuschreiben. Wenn es der Mutter oder dem Vater schlecht geht, hat das etwas mit mir zu tun, ich mache etwas falsch – das ist die kindliche Denkweise, die bedrückend ist, erklärt Eva Teufel, die Vorstandsvorsitzende der evangelischen Jugendhilfe Hochdorf. Die Kinder aus belasteten Familien sind erst in den vergangenen Jahren in den Focus der Sozialpädagogik gerückt. In der Gruppe kommen Kinder zusammen, die alle das gleiche Familiengeheimnis haben und sie lernen dort etwas über die Krankheit ihrer Mutter oder ihres Vaters, eine Krankheit, die man nicht sieht, die aber dennoch vorhanden ist. Und sie lernen ihre eigenen Gefühle kennen und benennen. Darüber hinaus gibt es praktische Hilfen wie den Notfallkoffer, der wichtig wird, wenn zuhause die Stimmung kippt. Im Koffer sind unter anderem Telefonnummern von Verwandten und Freunden, an die sich das Kind wenden kann und wo es in einer akuten Krise unterkommen kann. Nicht fehlen darf ein tröstendes Kuscheltier.
Ein Notfallkoffer für zuhause
Die Kinder, die an den Gruppen teilnehmen kommen aus einem Umkreis von 30 Kilometern. Für sie hat die Jugendhilfe Hochdorf einen Fahrdienst mit einem Taxiunternehmen eingerichtet. Die vertrauten Fahrer sammeln die Kinder auf der Strecke ein und bringen sie, wenn nötig wieder nach Hause. Ohne diesen Fahrdienst können viele Kinder nicht an dem Angebot teilnehmen, sagt Francisca Deh. Viele sind noch zu jung, um alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren oder die Busse verkehren im ländlichen Raum zu selten – und viele Eltern sind aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage, die Kindern zu fahren.
Spende für den Fahrdienst
Für den Fahrdienst benötigt das Projekt Ausblicke eine finanzielle Unterstützung und die hat es durch die Aktion Weihnachtsmann erhalten. Deren Spende in Höhe von 10 000 Euro ging an die StZ-Spendenaktion und die hat sie an die Jugendhilfe Hochdorf weitergegeben, damit für ein Jahr der Fahrdienst für Kindergruppen gesichert ist. Einen Teil des Angebots finanziert der Landkreis Ludwigsburg, aber angesichts der Sparzwänge bangt Eva Teufel um den Fortbestand dieser Freiwilligkeitsleistung.
Dabei haben die Kindergruppen seit mehreren Jahren großen Erfolg: Sie helfen nicht nur den Kindern mit ihrer Situation besser klarzukommen, sie sind auch Prävention, damit die Kindern nicht ebenfalls psychisch krank werden und sie stärken die Familien, denn die Eltern werden einbezogen und wenn nötig zu einer Therapie motiviert. Dass die Kindergruppen wertvoll für die Betroffenen sind, zeige sich auch daran, dass manche Familie ein zweites Mal teilnehmen möchte, freuen sich Francisca Deh und Eva Teufel - und sie sind dankbar, dass durch die Spende die Fahrten für zwei Gruppen gesichert sind.
Geschwister übernehmen Verantwortung
Drei Gruppen pro Jahr werden angeboten und jede trifft sich 14 mal, immer an einem Spätnachmittag. Bei der Zusammensetzung achten die Sozialpädagoginnen darauf, dass die Kinder in der jeweiligen Gruppe etwa das gleiche Alter haben – und auch darauf, dass Geschwisterkinder nicht in derselben Gruppe sind, denn auch in die Geschwisterbeziehung wirkt die belastete Familiensituation hinein.„Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die älteren Geschwister aus solchen Familien sich für die Jüngeren verantwortlich fühlen. Deshalb sind sie in getrennten Gruppen freier“, sagt Eva Teufel.
Das Spendenkonto:
IBAN DE53 6005 0101 0002 2262 22
BIC SOLADEST600
Kennwort: „Hilfe für den Nachbarn“
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