Rein rechtlich haben die Clubs Dilayla, White Noise und Bar Romantica kaum eine Handhabe, sich gegen die Verweigerung der Sperrzeitverkürzung an der Eberhardstraße zu wehren. Doch es werden jetzt auch erste Stimmen aus der Politik laut, die die Clubbetreiber verteidigen.
Stuttgart - Die Stadtverwaltung und das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart haben mit der Ansage, dass alle Clubs und Gastronomiebetriebe im Bereich der Eberhardstraße künftig um 5 Uhr für eine Stunde schließen müssen, in sozialen Netzwerken eine Welle der Empörung ausgelöst. Das wollen die Behörden so nicht stehen lassen und sehen in dem Vorstoß, die als antiquiert geltende Sperrstunde in Stuttgart wieder durchzusetzen, lediglich die Anwohnerinteressen vertreten. Dabei bleiben sie eine eine konkrete Erklärung, welche Vergehen welcher Lokale nach Überprüfung der Verhältnisse vor Ort zu dem Sinneswandel in Bezug auf die Sperrstunde führten, schuldig.
Die Verwaltung sagt, der Konflikt zwischen Anwohnern und Nachtschwärmern am Josef-Hirn-Platz und an der Eberhardtstraße sei nichts Neues. Bereits 2012 habe es „heftige Beschwerden“ gegeben. Die Knackpunkte: Lärm aus den Gaststätten, Soziallärm, Hinterlassenschaften Betrunkener und Verkehrslärm. „Die Betreiber wurden bereits damals von der Gaststättenbehörde abgemahnt“, sagt Ann-Katrin Gehrung, eine Sprecherin der Stadt. Manche Clubs, wie die Bar Romantica oder das White Noise, gab es damals aber noch gar nicht.
2017 folgte nach eher vereinzelten Anwohnerbeschwerden schließlich eine „umfangreiche Fachaufsichtsbeschwerde“ beim Regierungspräsidium. Der Vorwurf: Die Stadt schütze die Anwohner nicht. „Die Stadt Stuttgart hat ihre bisherige Entscheidungspraxis im Licht dieser Bewertung überprüft und geändert“, sagt Gehrung. Wie die Überprüfung genau aussah, lässt die Verwaltung auch nach mehrmaligem Nachfragen gegenüber unserer Zeitung offen.
„Nachbarschaftliche Belange“ berücksichtigt
Das Regierungspräsidium sagt, es habe die Anwohnerbeschwerde lediglich entgegengenommen und dann nach Vorschrift gehandelt. „Wenn der Beschwerdeführer der Auffassung ist, die Stadt als primär zuständige Behörde habe sein Anliegen vermeintlich nicht angemessen berücksichtigt, kann er gegen diese formlos Fachaufsichtsbeschwerde einreichen“, sagt Katja Lumpp, die Sprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgart. Das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde nehme derartige Beschwerden sehr ernst und höre zunächst die zuständige Behörde an und fordere dann eine Stellungnahme an.
So sei es auch in diesem Fall gewesen. Die Stadt habe bestätigt, dass sich die Situation im Bereich der Eberhardstraße in letzter Zeit tatsächlich verschärft habe und man deshalb die bereits erteilten Sperrzeitverkürzungen zwar nicht widerrufen, aber nach Ablauf der Geltungsdauer nicht mehr weiter erteilen werde.
Sehen Sie hier in unserer Straßenumfrage, was die Stuttgarter von Wiedereinführung der Sperrstunde halten:
Grundsätzlich ist die Sache mit der Sperrstunde in Stuttgart so geregelt, dass Gastronomen eine sogenannte „Verkürzung“ – faktisch eine Aufhebung – der theoretisch immer noch geltenden Sperrstunde am Wochenende immer wieder beantragen müssen, in der Regel in einem Turnus von sechs Monaten. Es steht auch ausdrücklich geschrieben, dass „nachbarschaftliche Belange“ zu berücksichtigen seien. Wo die gute Nachbarschaft gefährdet ist, wird in einem internen Verwaltungsverfahren entschieden. Laut Verwaltung sei Verweigerung der Sperrzeitverkürzung die Ausnahme und wurde in den letzten Jahren auch nur für vereinzelte Betriebe, nicht aber für ganze Areale durchgesetzt.
Politik als Vermittler zwischen verschiedenen Interessen
Ist damit die Hoffnung der Gastronomen an der Eberhardstraße, die Sperrstunde wieder loszubekommen, eine reine Illusion? Vielleicht nicht ganz. So werden in der Kommunalpolitik bereits erste Stimmen laut, die die faktische Wiedereinführung der Sperrstunde für Unfug halten. „Es kann auch nicht sein, dass wir mit einer vermeintlichen Verbesserung durch die Einführung der Sperrzeit zu einer in mehrfacher Hinsicht schlechteren Situation kommen“, sagt der Stuttgarter SPD-Vorsitzende Dejan Perc. Es sei kaum zu vermuten, dass „die Feierfreudigen, wenn sie um 5 Uhr aus dem Club müssen, weniger Lärm machen.“
Perc ist der Meinung, dass es in Stuttgart eine Vermittlung zwischen den verschiedenen Interessen braucht. Diese Rolle könnte die Politik übernehmen. Ein erster Schritt ist auch schon getan: Vor zwei Wochen hatte die SPD zu einer Diskussion über Clubkultur in den Club Schräglage eingeladen.