Die wochenlange Sperrung der wichtigsten Nord-Südachse im Rheintal verursacht im Güterverkehr große Schäden, sogar Pleiten drohen. Auf die Deutsche Bahn als Netzbetreiber könnte eine Welle von Schadenersatzklagen zukommen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Das Bau-Debakel beim Bahntunnel Rastatt im Rheintal, das die Vollsperrung der wichtigsten Nord-Süd-Achse bis mindestens 7. Oktober nach sich zieht, hat teure und gravierende Folgen. Allein die Güterbahnbetreiber rechnen bis dahin mit Umsatzeinbußen von mehr als 100 Millionen Euro, weil Fracht noch mehr auf Lastwagen und Rheinschiffe verladen wird oder teils über Ausweichstrecken in Frankreich rollt. Durch die Einnahmeausfälle und Mehrkosten könnte die Existenz von mindestens einem Dutzend Unternehmen gefährdet werden, wird in der Branche befürchtet.

 

Die gesamten volkswirtschaftlichen Schäden seien noch nicht absehbar, heißt es auf Anfrage bei Wirtschaftsforschern. Konkrete Zahlen werden anders als bei den Bahnstreiks, die zeitweise bundesweit oder regional den Schienenverkehr lahm legten, bisher nicht genannt. Damals warnte zum Beispiel das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), bei einer bundesweiten Blockade des Frachtverkehrs auf der Schiene entstünden nach kurzer Zeit Folgekosten von 100 Millionen Euro pro Tag, weil Industrie und Handel darunter leiden. Damit sei der aktuelle Fall aber nicht vergleichbar, betont ein Experte des Kölner Wirtschaftsinstitutes.

Die Güterbahnkonkurrenten erheben schwere Vorwürfe gegen die DB

Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), zu dem 45 Unternehmen gehören, beziffert die Verluste der Schienen-Güterverkehrsanbieter auf rund zwölf Millionen Euro pro Woche. Im September dürften es wegen wachsender Tranportmengen und zusätzlicher Kosten 15 bis 20 Millionen Euro pro Woche werden, sagt der NEE-Geschäftsführer Peter Westenberger. Besonders betroffen sei die schweizerische Staatsbahn SBB. Die Umleitungsangebote über das Neckartal, durch Bayern oder Frankreich reichen nach Einschätzung des Netzwerks nicht aus.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Rheintalbahn und der Havarie sehen Sie im Video:

Westenberger wirft der Deutschen Bahn und der deutschen Verkehrspolitik krasses Missmanagement und Versagen vor. Eine solche Havarie auf einer Hauptstrecke sei schon bedenklich, ein fehlender Plan B aber unentschuldbar. „Es fehlen seit Jahren leistungsfähige Ausweichstrecken für den Güterverkehr“, kritisiert er. Nun räche sich, dass auch im deutschen Südwesten mangels Geld vom Bund wichtige Verbindungen wie die Gäubahn, am Hochrhein und Bodensee nicht ausgebaut und elektrifiziert worden seien.

Die Deutsche Bahn und das Baukonsortium des Tunnels in der Kritik

Auf der Rheintalstrecke von Karlsruhe nach Basel fahren bis zu 200 Güterzüge pro Tag und fast so viele Personenzüge. Sie ist Teil der europäischen Nord-Süd-Hauptachse von der Nordsee durch den Gotthard-Basistunnel bis nach Genua. Der gesamte Verkehr ist seit dem 12. August nach dem Einbruch eines noch im Bau befindlichen Bahntunnels unterbrochen, der zum Absacken der Gleisstrecke darüber führte. Der Tunnel soll nun mit 1300 Lkw-Ladungen Beton komplett verfüllt und der Boden darüber durch eine 120 Meter lange Betonplatte stabilisiert werden, auf der die Gleise dann neu montiert werden.

Die Deutsche Bahn steht als Bauherr beim vierspurigen Ausbau der Rheintalbahn und Betreiber des deutschen Schienennetzes seit der Havarie in der Kritik. Zuständig für die Infrastruktur ist der Vizechef und Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla. Schadenersatzansprüche könnten auch auf die AG Tunnel Rastatt zukommen, in der die Baukonzerne Züblin und Hochtief das Projekt umsetzen sollen. Die Ursachen des Unglücks sind weiterhin unklar. Nach Angaben der Deutschen Bahn war der Bahnverkehr nicht gefährdet, die stark genutzte Strecke sei vor dem Absacken gesperrt worden.

Die Konkurrenz klagt allgemein über das Baustellenmanagement der DB

Bei den Güterbahnen wird derweil der Ruf nach Entschädigung und staatlicher Hilfe laut, damit Pleiten in der Branche vermieden werden. NEE-Verbandsvertreter treffen sich am Freitag nach Informationen dieser Zeitung mit dem Chef der staatlichen DB Netz AG, Frank Sennhenn. Dabei soll es um verstärkte Unterstützung für Unternehmen gehen, die von Umsatzausfällen und Mehrkosten durch die Sperrung betroffen sind.

Thema wird aber auch das Baustellen-Management der DB Netz sein, das die Bahnen schon seit Jahren kritisieren. Die vielerorts lange vernachlässigten und überalterten Gleisanlagen werden zwar inzwischen modernisiert. Aber die Strecken werden dazu oft komplett anstatt nur eingleisig gesperrt. Das führt bei Bahnunternehmen zu Einbußen und Verspätungen, für die sie meist keinen Ersatz erhalten. Einige Anbieter empfinden das als unfair, es gibt sogar Gerichtsklagen wegen dieser Regelungen. Auch im Fall Rastatt lassen die Privatbahnen bereits juristisch prüfen, ob Aussicht auf Schadenersatz von der Netzgesellschaft der Bahn besteht.

Einseitige Nutzungsbedingungen?

Deren Nutzungsbedingungen für die Schieneninfrastruktur sind bisher nach Ansicht von Kritikern sehr einseitig gestaltet und schränken die Entschädigungen für Nutzer stark ein, wenn die Infrastruktur nicht verfügbar ist. Sehr überschaubar sind zudem bisher die festgelegten Strafen, die von der DB Netz zu zahlen sind, wenn der Zustand der Infrastruktur zu mehr Verspätungen im Schienenverkehr führt.