Die spezialisierte Sauerstofftherapie soll von Herbst an in Ludwigsburg arbeiten. Grundsätzlich soll sie dort allen Patienten offen stehen. Doch so lange das Land und die Kassen nicht mitziehen, gibt es keine sichere Notfallversorgung.

Ludwigsburg/Stuttgart - Sechs Tage die Woche geht mitten in Stuttgart ein U-Boot auf Tauchfahrt. Das Druckkammerzentrum Stuttgart (DCS) hat seinen Sitz in einem schmucklosen Bürogebäude in der Heilbronner Straße und behandelt etwa 40  Patienten pro Monat ambulant. An diesem Mittwoch sitzen fünf Patienten in der großen mit Untersee-Graffitti geschmückten Kiste. Sie lesen entspannt, hören Musik – und tragen – mit kurzen Unterbrechungen – Sauerstoffmasken. Die Besonderheit: Drinnen herrschen Bedingungen wie in 14 Metern Tauchtiefe. In Druckkammern – nur eine zweite vergleichbare gibt es in Baden-Württemberg – werden Menschen mit Tinnitus, schweren Entzündungen oder Rauchgasvergiftungen behandelt (siehe Artikel unten).

 

Medizinisch ist das DCS zwar vom Erfolg verwöhnt. Doch bei der Politik und den Krankenkassen ist die Druckkammer weit weniger erfolgreich. „Die Notfallversorgung ist in keinster Weise gesichert“, sagt der Leiter des Zentrums, Ralf Schäfer. Er müsse etwa ein Drittel aller Notfälle abweisen oder an andere Zentren, in Murnau (Bayern) oder Wiesbaden (Hessen), vermitteln. Das hat arbeitsrechtliche Gründe: Da er seinen Mitarbeitern kein Bereitschaftsgeld bezahlen könne, seien sie nicht immer einsatzfähig – vor allem wegen der gesetzlichen Ruhezeiten für Ärzte. „Wenn nachts um 1 Uhr keiner kommen kann, dann kann ich überhaupt nichts machen“, sagt Schäfer. Da die andere baden-württembergische Druckkammer, die am Bundeswehrkrankenhaus Ulm, zurzeit defekt sei, gebe es im Land keine entsprechende Notfallversorgung.

Kassen zahlen nicht die vollen Kosten

Der Betrieb des DCS werde vom ehrenamtlichen Einsatz vieler Mediziner getragen, sagt Ralf Schäfer. Im Spätherbst zieht die therapeutische Kammer an das Klinikum Ludwigsburg um. Der Aufsichtsrat der Klinikengesellschaft des Kreises hat bereits zugestimmt. Der Umzug soll die finanziellen Nöte der Therapieform etwas lindern. Die gesetzlichen Kassen zahlen nämlich pro Fall lediglich eine Pauschale von etwa 800 Euro. Die Behandlung könne aber durchaus 3000 bis 5000 Euro kosten, sagt Schäfer. Mit dem Klinikum Ludwigsburg gebe es seit Jahren eine Vereinbarung: Patienten des Klinikums werden behandelt, das Krankenhaus übernimmt die vollen Kosten und versucht hinterher, das Geld von den Kassen zu bekommen.

„Wenn es das nicht gäbe“, sagt Schäfer, „hätten wir den Laden schon zumachen können.“ Beim Klinikum rechnet man damit, dass das laufende Defizit durch den Umzug etwa halbiert wird. Vor allem, weil Kosten für die Patientenbeförderung vermieden würden. Das Land könnte mit einem Sicherstellungsauftrag die Kassen dazu verpflichten, die vollen Kosten für Behandlung und Bereitschaftsdienst der Ärzte zu übernehmen. Einen solchen Auftrag für die Notfalltherapie halte das Sozialministerium nicht für notwendig, heißt es auf Anfrage. Es gebe Ausweichmöglichkeiten.

„Wir schließen eine Versorgungslücke“

Die Krankenkassen reagieren auf die Anfrage unserer Zeitung ebenfalls zurückhaltend. Das sei Verhandlungssache zwischen Kassen und Kliniken, heißt es. Grundsätzlich könnten beide Seiten miteinander kostendeckende Jahrespauschalen vereinbaren. Der Geschäftsführer der Kliniken, Jörg Martin, hält einen Auftrag für sinnvoll. „Der gute Wille bei uns ist vorhanden“, sagt Martin. „Wir wollen und werden keinem Patienten die Therapie vorenthalten“, er hoffe auf die Verhandlungsbereitschaft der Kassen. Es gehe nicht ums große Geld, sondern um eine angemessene Vergütung. Der Standort Ludwigsburg sei für die Druckkammer ideal, weil es eine Anbindung an eine Intensivstation gebe. Der DCS-Leiter Ralf Schäfer schätzt das Fallpotenzial im Land auf 400 Patienten pro Jahr. Wer nicht in der Druckkammer behandelt werde, sterbe zwar nicht. Aber er habe schwere Spätfolgen zu befürchten. Mit der Druckkammer „wird eine Versorgungslücke geschlossen“, sagt Schäfer.

Wesentlich weniger Spätfolgen

Druckkammer -

Gefährliches Spiel