Das "Spiderman"-Musical, an dem U2-Sänger Bono beteiligt ist, hat nun doch Premiere gefeiert - mit mehr als einjähriger Verspätung.

New York - Am Ende waren alle wieder lieb zueinander, wie sich das im Showbusiness gehört. Julie Taymor wurde nach dem Vorhang der Premiere von "Spiderman" am Broadway von dem Sänger Bono auf die Bühne geholt, es gab Küsschen, Blumen und Komplimente. "Übrigens - du siehst scharf aus heute, Julie", flirtete der U2-Frontmann und Co-Produzent des Musical-Spektakels mit der einstigen Regisseurin. Natürlich wusste jeder in dem mit A-Prominenz gespickten Premierenpublikum, dass die Herzlichkeit bestenfalls so echt war, wie die Pappmaschee-Wolkenkratzer des Bühnenbildes.

 

Denn wenn Bono Julie Taymor nicht in diesem Frühjahr aus der Produktion des mit 75 Millionen Dollar teuersten Musicals aller Zeiten entfernt hätte, wäre es vermutlich niemals zu dieser Premiere in New York gekommen. Wirklich entspannt ist das Verhältnis seitdem nicht mehr. Der Rausschmiss von Taymor war eine Notbremse, die allerletzte Möglichkeit, um eine Bauchlandung epischer Dimensionen zu verhindern. Das Spiderman-Musical, das insgesamt zehn Jahre vorbereitet und im vergangenen November in ersten Vorschauen gezeigt wurde, war auf dem besten Weg dazu, der größte Flop der Broadway-Geschichte zu werden.

Unfälle und Streitereien

Nichts passte während der Vorschauen. Bei den Flug-Stunts durch das Theater purzelten die Darsteller regelmäßig von der Decke und brachen sich diverse Gliedmaßen. Und die ersten Stimmen, die aus den Vorstellungen per Internet an die Öffentlichkeit drangen, fanden das Stück unzusammenhängend und ziemlich verwirrend.

Die Premiere verschob sich immer weiter, während Taymor, die für ihre Produktion des "Lion King" hoch gepriesen worden war, fieberhaft an dem Drehbuch weiterbastelte. Doch irgendwann verkam die Sache zur Farce. Nach rund 100 ausverkauften Vorschauen fühlten sich die Kritiker der Zeitungen nicht mehr an das Vor-Premieren-Embargo gebunden und taten ihre Meinungen kund.

Das Ergebnis war vernichtend. Nun schritt Bono ein, der die Musik geschrieben und einen Großteil der Produktion finanziert hatte. Nach mehreren Gesprächen mit Taymor wurde ihm klar, dass die ehrgeizige Regisseurin nicht bereit war, das Stück in dem Maße neu zu konzipieren, wie es nötig gewesen wäre. Sie hielt an ihren Ambitionen für ein intellektuelles Konzept-Theater fest, das aber offensichtlich nicht beim Publikum ankam. Bono trennte sich von Taymor, die Vorschauen wurden beendet, das Stück überarbeitet. Am Dienstagabend konnte nun das New Yorker Publikum überprüfen, ob die Grundsanierung gelungen war.

Wenig Begeisterung

Wirklich euphorisch waren die Reaktionen nicht. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton fand zwar, "dass die Sache jetzt funktioniert." Zu viel mehr Lob, als dass das Stück jetzt kein Desaster mehr ist, ließ sich jedoch kein Kritiker hinreißen. Ben Brantley von der "New York Times" schrieb, dass "der singende Comic-Held jetzt nicht mehr das unentzifferbare Chaos ist, das es noch im Februar war. Es ist nur noch fad." Die "New York Post" schrieb, die Sache treffe jetzt beinahe ins Schwarze, was aber nicht viel zu bedeuten habe, da "das Ziel deutlich vergrößert wurde". Kurz: der neue Spiderman genügt einigermaßen seinen zurückgeschraubten Ansprüchen.

Für ein 75-Millionen-Dollar-Spektakel ist das freilich etwas wenig. Aber wenigstens hat es den neuen Drehbuchschreibern nicht an Selbstironie gefehlt. "Ich bin eine 75-Millionen-Dollar-Zirkustragödie", sagt an einer Stelle der Bösewicht, der "Green Goblin". Selbst Julie Taymor, so wurde von der Premiere berichtet, habe an dieser Stelle laut gelacht.