Die Gratisstrategie beim Online-„Spiegel“ ist gescheitert. Das zeigt auch die Absetzung der Chefredakteure. Ein Kommentar.

Stuttgart - Bei der Ablösung der beiden „Spiegel“-Chefredakteure geht es nicht nur um innerredaktionelle Turbulenzen bei einem publizistisch noch immer bedeutenden Nachrichtenmagazin. Es geht auch um die Frage: sollen Nutzer für digitale journalistische Inhalte bezahlen? Mathias Müller von Blumencron, bislang für „Spiegel Online“ zuständig, antwortete mit „Nein“. Ebenso wie Wolfgang Blau. Der war bis vor wenigen Wochen Chefredakteur von „Zeit Online“ und wechselt dieser Tage als Geschäftsführer für Digitalstrategie zum britischen „Guardian“.

 

Der „Guardian“ macht den besten Online-Journalismus der Welt – kostenlos. Leider kann er ihn sich nicht leisten. Der Verlag steht seit Jahren am Rande der Pleite. Auf der anderen Seite des Atlantiks kämpft die „New York Times“ zwar auch mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Seit ihre Leser aber dafür bezahlen müssen, wenn sie Zugang zu mehr als fünf Artikeln im Monat haben wollen, kann sie Hoffnung schöpfen. Die Strategie, journalistische Qualitätsinhalte kostenlos anzubieten, ist gescheitert. Die Verlage können sie nicht finanzieren. Innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahren werden sich Bezahlschranken durchsetzen. Schon heute sind immer mehr Nachrichtenportale, von der „Neuen Zürcher Zeitung“ bis zur „Hannoverschen Allgemeinen“, kostenpflichtig. „Spiegel Online“ wird wohl bald dazustoßen. Für Journalisten und Verlage bedeutet das: sie müssen Inhalte liefern, die ihr Geld wert sind. Qualität hat ihren Preis. Aber es muss sich jemand finden, der sie liefert – und jemand, der bereit ist, dafür zu bezahlen.