Auch bei den Spielen der dritten Liga stehen die Mitarbeiter des Stuttgarter Unternehmens „Die Ligen“ jetzt mit dem Camcorder an der Seitenlinie. 16 der 20 Vereine, darunter der VfB II, greifen zur Gegner-Analyse auf die Aufzeichnungen zurück – die Kickers noch nicht.

Stuttgart - Der Standort hätte nicht besser gewählt sein können. „Fritz-Walter-Weg“ lautet die Anschrift. Die hat einen Fußballbezug und ist mitten im sportlichen Herz Stuttgarts. Von seinem Büro aus sieht Markus Kleber die Mercedes-Benz-Arena. Er lächelt – und hat auch Grund dazu: Mit seinem Unternehmen „Die Ligen“ geht es stetig bergauf.

 

Seit dieser Saison stehen die Mitarbeiter auch bei jedem Spiel der dritten Fußballliga mit dem Camcorder an der Seitenlinie. Sie liefern die Bilder für das Internetangebot des Deutschen Fußball-Bundes („dfb-tv“) und stellen in einem Analyse-Tool alle Spiele in voller Länge zur Verfügung. 16 der 20 Vereine haben diesen Service bereits abonniert, darunter der VfB Stuttgart II: „Das ist perfekt“, sagt Jens Marschall von der Medienabteilung. So kann Trainer Jürgen Kramny alle Gegner über 90 Minuten abrufen – und zum Beispiel Standardsituationen den Spielern in der Videoanalyse vorführen.

Der VfB zahlt, die Kickers nicht

Trotz dieser Vorzüge ist der Lokalrivale Stuttgarter Kickers noch unschlüssig. „Es ist natürlich sehr interessant“, sagt der Marketingmanager Jens Zimmermann, „aber bisher haben wir keine Entscheidung getroffen.“ Grund dafür ist in erster Linie die Frage nach der Finanzierung – 3000 Euro werden pro Saison aufgerufen.

Da stellt sich die Frage, wie sich so ein Unternehmen entwickelt? Bereits 2006 gründete der gelernte Mechaniker Markus Kleber mit zwei Partnern „Die Ligen“, nachdem er sein Studium als Wirtschaftsingenieur abgeschlossen hatte. In Zeiten, in denen Youtube noch unbekannt war, wollte Kleber in den Bereich der Webvideos im Amateurfußball einsteigen. „Aber da wir Betriebswirte und keine Journalisten waren, stellten wir uns auch gleich die Frage nach der rechtlichen Situation.“ Und da machte der DFB den sprichwörtlichen Strich durch die Rechnung. In einem Vertrag mit der Deutschen Telekom waren die Bildrechte in den unteren Ligen inbegriffen. Das bedeutete das Aus für Klebers Firma. „Da haben wir uns alle einen anderen Job gesucht“, sagt er.

Die Wende kam im Oktober 2010

Das Geschäft in Stuttgart lief trotzdem im kleinen Rahmen weiter. Der Württembergische Fußball-Verband hatte die Filmerlaubnis im Amateurbereich ausgestellt – als einziger Verband in Deutschland. Kleber gewann verschiedene Zeitungen aus der Region als Kunden, für deren Internetangebote Videos von Ama- teurspielen produziert wurden. Kleber beschloss, ein zweites Mal in die Selbstständigkeit einzusteigen.

2009 holte er Timo Luippold als weiteren Geschäftsführer ins Boot. „Mit ihm wurde ich eingeschult“, sagt Kleber, „und ich liebe den Dialog für den kreativen Prozess.“ Der Wendepunkt kam  Oktober 2010. In dritter Instanz entschied der Bundesgerichtshof im sogenannten Hartplatzhelden-Prozess. Kern des Urteils: der DFB hat im Amateurbereich nicht das exklusive Bildrecht. Unternehmen wie die „Hartplatzhelden“ oder eben „Die Ligen“ dürfen solche Spiele filmen und ins Internet stellen.

Das war der erhoffte Startschuss für Klebers Team. Das entschied, sein Hauptaugenmerk auf die Ligaproduktion zu setzen, was bedeutet: In einer Liga werden alle Spiele auf Höhe des Mittelkreises gefilmt. In einem komprimierten Format stehen sie dann gegen Bezahlung in voller Länge in einem Online-Tool zur Verfügung. Außerdem wird für jeden Spieltag eine Torschau zusammengeschnitten. Von dieser Saison an werden nun alle drei Staffeln der A-Junioren-Bundesliga, die Regionalliga Bayern, die Frauenbundesliga und eben die dritte Liga produziert.

Es fehlen die Filmer

Das Geschäftsmodell ist dabei so einfach wie effizient. Betriebswirtschaftlich gesprochen gibt es gleich mehrere Abnehmer. Zunächst einmal sorgt der jeweilige Verband in einer Liga für eine Basisfinanzierung. Dort wird das Material für Schiedsrichterbeobachtung, Sportgerichtsbarkeit und das eigene Online-Angebot verwertet. Auf der anderen Seite verkauft Kleber das Produkt an die beteiligten Clubs. Die sparen damit Fahrtkosten für Spielbeobachtungen und haben zu jeder Zeit Zugriff auf das gesamte Material, erläutert Kleber die Vorteile. „Die dritte Liga war ein Selbstläufer, weil die Vereine uns dem DFB empfohlen haben“, sagt Kleber.

Das einzige Problem: durch das gewachsene Interesse werden bis Ende des Monats knapp 100 Filmer in ganz Deutschland benötigt – 30 fehlen noch. „In einer englischen Woche können es bis zu 70 Einsätze werden. Man muss also nicht nur dafür sorgen, dass ein Filmer vor Ort ist. Das Material muss auch brauchbar sein“, erläutert Kleber die Schwierigkeiten. Immerhin: beim Kickers-Heimspiel am Mittwoch im Gazi-Stadion braucht Kleber keine Leute im Einsatz. Noch nicht. „Wir haben das Thema aber im Auge“, sagt der Trainer Dirk Schuster.