Das 3:1 gegen Dynamo Dresden bietet Nervenkitzel pur, beste Unterhaltung und hat am Ende einen glücklichen, aber verdienten Sieger.

Stuttgart - Es gibt nicht viele Trainer, die auf eine knappe 2:1-Führung kurz vor Schluss mit der Einwechslung von zwei Stürmern reagieren. Tim Walter hat sich für diese denkbar offensivste Variante entschieden, um das Heimspiel gegen Dynamo Dresden für sich zu entscheiden – und am Ende alles richtig gemacht. Erst Hamadi Al Ghaddioui aufs Feld geschickt, (79.), dann Silas Wamangituka (83.). Der Kongolese erlöste die VfB-Fans unter den 52 129 Zuschauern schließlich mit seinem Treffer zum 3:1-Endstand (84.).

 

Es war Wamangitukas erste Aktion 22 Sekunden nach seiner Einwechslung; unter Mithilfe des Dresdner Abwehrspielers Jannik Müller, der unhaltbar abfälschte und damit den Gastgebern tatkräftig Unterstützung leistete. Zuvor hatte der VfB Stuttgart wieder einmal allerbeste Chancen in Serie vergeben – und die Nerven seines Anhangs arg strapaziert.

Erneut Stuttgarter Chancenwucher

So sah es auch Tim Walter: „Wir müssen vorne konsequenter sein und unsere Möglichkeiten besser nutzen. Da müssen wir den Hebel ansetzen“, gab er mit Blick auf die Auswärtspartie beim VfL Osnabrück (Samstag, 13 Uhr) mit auf den Weg.

Immerhin rächte sich der Stuttgarter Chancenwucher dieses Mal nicht. Bei den vorangegangenen Heimspielen gegen die Kellerkinder aus Wiesbaden und Kiel hatte der Aufstiegsanwärter bekanntlich eine Vielzahl von Torgelegenheiten und am Ende unnötigerweise sechs Punkte liegengelassen. Dieses Mal wies die Spielstatistik den Favoriten nicht länger nur bei Torschüssen (16:11), Ballbesitz (57:43) oder Laufleistung (117:113 Kilometer) als Sieger aus, sondern auch in der alles entscheidenden Bilanz der geschossenen Tore: 3:1.

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Nach dem verdienten Erfolg gegen das neue Schlusslicht aus Dresden ist der VfB wieder in der Spur. Er darf sich außerdem freuen, zwei Zähler auf Spitzenreiter Hamburger SV (1:1 in Wiesbaden) gut gemacht zu haben. „Wir haben heute wieder den ersten Schritt gemacht, nachdem wir unsere Pole-Position mit den drei Niederlagen verspielt haben“, analysierte Sportdirektor Sven Mislintat. Der 46-Jährige sieht seine Mannschaft nun „in der Rolle des Jägers. Wir müssen punkten, punkten, punkten, um die anderen wieder unter Druck zu setzen.“

Gegen die mit fünf Niederlagen in Folge angereisten Dynamos hatte der VfB den Schwung aus dem Pokalsieg in Hamburg mitgenommen. Von Anpfiff weg beherrschte er die Sachsen im neu formierten Tannenbaumsystem mit nur einem Stürmer, aber einer besseren Absicherung, mit schwungvollem Kombinationsfußball. Die Folge: Die schnelle Führung durch ein Eigentor von Brian Hamalainen (3.). Kapitän Marc Oliver Kempf hatte zuvor nach einer Ecke den Ball volley aufs lange Eck befördert. Beim Versuch zu klären, flog Dresdens Verteidiger zusammen mit dem Ball ins Netz.

Wach und konzentriert, mit frühem Pressing hielten die Walter-Schützlinge den verunsicherten Gegner in Schach. Santiago Ascacibar mit seinem ersten Pflichtspieltor für den VfB (38.) verzückte die Fans und Sportdirektor Mislintat: „Das war von der ganzen Mannschaft hervorragend herausgespielt.“

Plötzlich hat der VfB was zu verlieren

Wären zwei knappe Abseitsentscheidungen nicht gegen die Gastgeber ausgefallen, wäre es sogar mit 4:0 in die Pause gegangen. So aber stand es „nur“ 2:0 – und das Blatt sollte sich schneller wenden, als den VfB-Fans lieb war. Nach einem Foul von Nat Phillips und anschließendem Fernseh-Studium entschied Schiedsrichter Arne Aarnink zurecht auf Strafstoß. Moussa Koné brachte die Schwarz-Gelben nach 52 Minuten wieder heran – und den VfB gehörig ins Wanken. Das zuvor so flotte Angriffsspiel verkehrte sich in unsicheres Ballgeschiebe.

„Plötzlich hat man wieder was zu verlieren“, zeigte Mislintat Verständnis für die Schwächephase nach dem Anschlusstreffer. Dem der eingewechselte Luka Stor beinahe den Ausgleich folgen ließ. Binnen weniger Minuten tauchte er zweimal frei vor Gregor Kobel auf und scheiterte.

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Der VfB offenbarte hinten schwarze Löcher – vorne trieb er seine Fans mit dem Auslassen bester Chancen in den Wahnsinn. Mittelfeldspieler Philipp Förster hätte das Spiel allein entscheiden können. Weshalb sich hinterher nicht nur Kapitän Kempf fragte, warum sich die für Zweitligaverhältnisse so spielstarke Mannschaft derart schwer mit dem Toreschießen tut? 20 Tore aus zwölf Spielen sind keine herausragende Bilanz. „Wir müssen den Deckel viel früher drauf machen“, kritisierte der Abwehrspieler und legte die Stirn in Falten. „Es macht sicher keiner mit Absicht.“

Aber womöglich bald besser - damit der VfB wieder in die Rolle vom Jäger zum Gejagten schlüpfen kann.