Auf der Messe Gamescom in Köln, die an diesem Mittwoch beginnt, sind die neuen Trends zu sehen. Die Vernetzung wird immer wichtiger – Computerspiele schaffen Gemeinschaften.

Stuttgart - Videospiele erzählen Geschichten. Interaktive Abenteuer wie Sonys hochgelobtes Endzeitepos „The Last of Us“, das gerade in der Version für die Playstation 4 erschienen ist, waren lange die Königsdisziplin der digitalen Unterhaltung. Heute setzen immer mehr Spiele auf Vernetzung. Die Internet-Cloud, der weltweite Verbund von Großrechnern, bietet genügend Raum für künstliche Welten, zu denen jeder über eine schnelle Internetverbindung reisen kann. Der globale Spielplatz übernimmt die Rolle des öffentlichen Raums und füllt neben Facebook, WhatsApp und Co. jene Lücke, die der Bedeutungsverlust von Vereinen oder der Kneipe um die Ecke hinterlassen hat.

 

Videospiele schaffen Gemeinschaften, das lässt sich von Mittwoch an auf der Messe Gamescom in Köln beobachten. Das Spiel „Destiny“ von der Computerfirma Activision, das am 9. September erscheint und mit einem Rekordbudget von mehreren Hundert Millionen Dollar produziert und vermarktet wird, gehört zum Beispiel zu jenen Spielen, die ohne Internet kaum Sinn machen. In der digitalen Spielwelt trifft man auf andere Spieler, mit denen man die weitläufigen Areale gemeinsam durchstreifen kann. Die vermeintliche Zufälligkeit basiert auf einem komplizierten Algorithmus, mittels dessen die Server der Firma Activision ermitteln, wer zu wem passt und in welchen Konstellationen sich die einzelnen Spieler am liebsten zusammenfinden.

Dieses Prinzip findet sich in vielen aktuellen Titeln: Indem sie spielen, schaffen sich die Spieler ihre Traumwelten selbst. Immer öfter agieren sie dabei nicht gegen-, sondern miteinander. So ist in „Assassin’s Creed: Unity“ von Ubisoft (Erscheinungstermin: 28. Oktober), das zur Zeit der Französischen Revolution spielt, nur erfolgreich, wer mit anderen kooperiert. Oder aber er schlägt sich wie in „Fable Legends“ von Microsoft (Erscheinungstermin: 2015) oder „Evolve“ von der Firma 2K (Erscheinungstermin: 21. Oktober) auf die dunkle Seite und stellt sich in der Rolle des Bösewichts gegen das Kollektiv. Wem das erzwungene Teamplay im beruflichen Alltag auf die Nerven geht, der findet hier den ersehnten Ausgleich.

Eine Geschichte erzählen oder Spielern Freiheiten lassen?

Dem Alltag zu entkommen – das bleibt ein Hauptmotiv des Spielens. Diesen Wunsch bedienen auch Aufbauspiele, mit denen man sich früher ins stille Kämmerlein zurückzog, um zahllose Stunden am eigenen Miniaturuniversum zu basteln. Doch die Zeiten des Modelleisenbahn-Eskapismus sind endgültig vorbei. Das PC-Spiel „Die Siedler: Königreich von Anteria“ von Ubisoft, das Ende des Jahres auf den Markt kommt, wurde von den Düsseldorfer Blue Byte Studios von Anfang an als Online-Spiel konzipiert. Die Spielwelt ist „persistent“, das heißt, man findet die eigene Siedlung immer wieder so vor, wie man sie zuletzt verlassen hat. Online geht das Leben in der Zwischenzeit weiter. Es lohnt sich also, nach dem Wiedereinloggen beim Nachbarn vorbeizuschauen, um dessen Fortschritte zu bewundern und um zu schauen, ob sich etwas Nützliches abstauben lässt. Wer zu schüchtern ist, Mitspieler um Unterstützung zu bitten, wird sich auf Dauer schwertun.

Für die Entwickler ist dieser Weg nicht ohne Risiko. Die altehrwürdige Städtebau-Simulation „Sim City“ etwa musste nach unzähligen Serverausfällen und viel Kritik einen Offline-Modus nachliefern. Doch die Fans zeigten sich unversöhnlich und straften die zahlreichen Neuerungen, die in ihren Augen einem Sakrileg gleichkommen, mit schlechten Bewertungen auf Amazon.de ab. Dennoch sei die Zeit reif für Online-Games, sagt der „Siedler“-Designer Guido Schmidt. „Wir sind fest überzeugt, dass das die Zukunft ist.“ Das alte, in einer Box ausgelieferte Offline-Game sei eine aussterbende Gattung.

„Immersion“ nennen Wissenschaftler das Gefühl, förmlich in die digitale Scheinwelt hineingezogen zu werden. Die immer leistungsfähigere Hardware wie etwa die vor einem Jahr erschienene neue Konsolengeneration verstärkt diesen Effekt. Auch die physikalischen Verhältnisse sollen sich anfühlen wie in der Wirklichkeit. Doch die Spieler wollen nicht zuletzt die Spuren sehen, die sie in der virtuellen Welt hinterlassen. Das Fantasy-Rollenspiel „Dragon Age: Inquisition“ von Electronic Arts (Erscheinungstermin: 21. November) baut deshalb laut dem Creative Director des Entwicklers Bioware, Mike Laidlaw, auf ein „World Master System“. Verdient man etwa seinen Unterhalt mit dem Erlegen von Bären und dem Verkauf von Fellen, muss man damit rechnen, dass die Population der Tiere auf Dauer dezimiert wird. Persönliche Entscheidungen haben laut Laidlaw direkten Einfluss auf den Fortgang der Handlung. Der immanente Widerspruch zwischen einer linear erzählten Geschichte und größtmöglicher Freiheit für den Spieler stellt eine der größten Herausforderungen für die Entwickler dar. Mehr noch als an einer opulenten Grafik werden sie sich künftig daran messen lassen müssen, ob ihnen dieser Spagat gelingt.

Warten die Spieler wirklich auf Virtual Reality?

Auf der Gamescom werden in dieser Woche auch sogenannte VR-Brillen zu sehen sein. Auch hier geht es, wie es das Kürzel besagt, um virtuelle Realität, also die Illusion, in eine künstliche Umgebung einzutauchen. Zwei als Brillengläser integrierte Bildschirme erzeugen zusammen ein stereoskopisches, dreidimensional wirkendes Bild. In Köln können Besucher die VR-Brille Oculus Rift 2, die zunächst von privaten Geldgebern über das Internet finanziert wurde und später für 2,3 Milliarden US-Dollar von Facebook gekauft wurde, erstmals selbst ausprobieren. Auch Sony wird seine als Zubehör für die Playstation 4 konzipierte VR-Brille Morpheus vorführen. Mehrere Bewegungssensoren ermitteln die Position im Raum und Drehungen des Kopfes. Das ermöglicht eine 360-Grad-Navigation, bei der die natürlichen Bewegungen direkt in die Spielwelt übertragen werden. Schaut man nach unten, wird auch der eigene Körper durch eine Simulation ersetzt. So können sich auch Hänflinge und Schwergewichte einmal wie ein Superheld mit Waschbrettbauch fühlen.

Aber wollen die Spieler tatsächlich diese Art der perfekten Illusion? Von 3-D-Effekten spricht heute jedenfalls kaum noch jemand. Die Spiele, die damit ausgestattet waren, hatten womöglich einfach zu wenig zu erzählen.