Am Rande des VfB-Trainingslagers in Belek treffen sich viele Spielerberater, die ein Geschäft machen wollen. Nicht alle von ihnen sind seriös.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Belek - Bei Borussia Dortmund ist er der meisterliche Torschütze gewesen, in seinem sechsmonatigen Gastspiel von Juli bis Dezember 2007 beim VfB Stuttgart dagegen mehr Tourist denn Fußballprofi. Am Büfett des Hotels Calista Luxury Resort in Belek präsentiert sich Ewerthon nun aber in guter Form. Schlank ist er, obwohl sich der Brasilianer neben reichlich Salat und Reis auch einige Köfte, das ist eine Art türkische Cevapcici, auf den Teller lädt. Denn Ewerthon braucht Kraft.

 

Mit seinem aktuellen Arbeitgeber, dem russischen Erstligisten Terek Grosny absolviert der Stürmer derzeit an der türkischen Riviera sein Trainingslager. Dabei befindet sich Ewerthon in bester Gesellschaft. Denn Belek ist wie inzwischen in jedem Januar der Tummelplatz für Fußballer. Allein im Hotel Calista logieren neben Grosny noch der RSC Anderlecht, AZ Alkmaar sowie alle Profischiedsrichter des KNVB, des Königlich Niederländischen Fußball-Verbandes. Aber auch die Bundesliga ist mit fünf Clubs - neben dem VfB sind dies Nürnberg, Bremen, Gladbach und die Hertha - in Belek sehr gut vertreten.

Weil das Transferfenster bis zum 31. Januar geöffnet ist und einige Profis in den wichtigsten europäischen Ligen mit ihrer Rolle unzufrieden sind, ist in Belek auch der große internationale Fußballbasar wieder geöffnet. Dabei nimmt neben den Spielern, Vereinen und den Medien eine Berufsgattung eine zentrale Rolle ein, die von vielen Vereinsmanagern als notwendiges Übel, aber von den Fußballprofis als unabdingbare Notwendigkeit angesehen wird: die Spielerberater.

Jede Menge Scharlatane

Auch diesmal sind sie wieder zuhauf in die Türkei geflogen, um Kontaktpflege zu betreiben, um neue Klientel zu akquirieren und um für ihre Profis neue Clubs zu suchen oder neue Verträge auszuhandeln. Michael Serr (49) war in 54 Bundesligaspielen der Torhüter des 1. FC Kaiserslautern und arbeitet nun als Geschäftsführer des Pro European Sports Management. Als Spielerberater vertritt er etwa den ehemaligen Hannoveraner Torhüter Florian Frommlowitz (jetzt MSV Duisburg).

Beim Testspiel des VfB gegen Beerschot schaut Serr zu, weil er mit dem VfB-Trainer Bruno Labbadia befreundet ist. "In Belek ist es füruns Spielerberater optimal, weil viele Teams auf engem Raum zu finden sind", sagt Serr, "man kann sich einen Überblick über die Leistungsstärke der Teams machen, auch hinsichtlich der Frage: Wo könnte einer meiner Spieler in Zukunft mal unterschreiben?" Weil das einst vom Weltverband Fifa ersonnene Lizensierungsmodell für Spielerberater schon wieder hinfällig ist und den Job formal also jeder machen kann, tummeln sich auch in Belek neben den seriösen Agenten jede Menge Scharlatane auf dem Millionenmarkt Profifußball.

Wenn wundert's, denn das Engagement ist mit den marktüblichen fünf bis zehn Prozent der Transfersumme eines Spielers plus fixen Honoraren sehr gut dotiert. "Es kommt schon vor, dass einem ein Spieler von drei verschiedenen Beratern angeboten wird", sagt der VfB-Manager Fredi Bobic, der mit dem Sportdirektor Jochen Schneider dieser Tage in der Lobby des VfB-Teamhotels The Dome diverse Berater empfängt.

"Der eine braucht den anderen"

Wechselt Zdravko Kuzmanovic nach Italien, oder bleibt er? Gibt es einen Markt für Pawel Pogrebnjak? Zu welchen Konditionen ist ein Stoßstürmer zu haben, den die Stuttgarter gerne verpflichten würden? All das sind Fragen, mit denen sich Bobic und Schneider in enger Absprache mit dem Trainer Bruno Labbadia in Belek täglich beschäftigen.

"Der eine braucht den anderen. Und natürlich gibt auch unter den Spielerberatern wie in jedem anderen Beruf gute und schlechte", sagt Serr, der am Rande des VfB-Testspiels eifrig mit einem Mann in einer schwarzen Jacke debattiert, einem Abgesandten des Karlsruher SC, dessen Team Ende der Woche in Belek erwartet wird. Worum es sich bei dem Gespräch dreht, das behalten die beiden aber lieber für sich, denn es ist ein Betriebsgeheimnis. "Gute Kontakte und gegenseitiges Vertrauen sind in der Branche das A und O", sagt Serr, denn der internationale Markt ist immer in Bewegung.

"Zudem wird er immer globaler und erstreckt sich inzwischen auf Länder in Asien oder in Südamerika etwa auch auf Argentinien oder Peru, wo früher kaum jemand tätig war", sagt Bobic. Wie umtriebig die Berater sein können, zeigt das Beispiel Ewerthon. Den hat seine Agentur Europe Sports Group allein in seiner Zeit nach dem VfB kontinentübergreifend transferiert. Zwischen 2008 und heute spielte Ewerthon bei Real Saragossa, Espanyol Barcelona, Palmeiras São Paulo und nun bei Terek Grosny.